Ein Jahr lang ist das spektakuläre Schredderbild des anonymen Künstlers Banksy durch die Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart gewandert. Jetzt heißt es Abschied nehmen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Der Countdown läuft. Das spektakuläre Schredderbild, das im März vergangenen Jahres in die Staatsgalerie Stuttgart kam, ist dort nur noch bis zu 2. Februar zu sehen. Das Werk des anonymen Künstlers Banksy hatte international für Schlagzeilen gesorgt, als es sich während einer Auktion in London im Oktober 2018 in Bewegung setzte und aus dem Rahmen rutschte, in dem ein Schredder versteckt war. Seither hängt die untere Hälfte des Bildes in feine Streifen geschnitten aus dem Rahmen heraus.

 

Nachdem „Love is in the Bin“ zunächst im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen war und 60 000 Besucher anzog, kam es nach Stuttgart an die Staatsgalerie – als Dauerleihgabe. Damit ist gewöhnlich eine auf mehrere Jahre angelegte Leihgabe gemeint, die Privatsammler einem Ausstellungshaus zur Verfügung stellen. Im Fall Banksy habe es keine „fixe Terminierung“ gegeben, heißt es in der Staatsgalerie. Deshalb ende die Leihgabe nun nach knapp einem Jahr – „denn das ist für eine Leihgabe ein sehr langer Zeitraum“, sagt Christiane Lange, die Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart.

Derzeit ist nicht bekannt, wo „Love is in the bin“ künftig ausgestellt wird

Das Bild wird nach dem 2. Februar an die Sammlerin zurückgehen. Über weitere Pläne und mögliche Ausstellungsstationen von „Love is in the bin“ ist der Staatsgalerie derzeit nichts bekannt. Die Sammlerin, die anonym bleiben möchte, hatte das Bild für umgerechnet 1,2 Millionen Euro bei der Auktion im Londoner Auktionshaus Sotheby’s erworben. Christiane Lange hatte sie zufällig bei einem Essen kennengelernt und es geschafft, das begehrte Bild nach Stuttgart zu holen.

Zum Abschluss der Stuttgarter Station wird in der Staatsgalerie am 29. Januar Bilanz gezogen bei einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Ein Jahr Banksy“. Dabei diskutiert Christiane Lange mit Isabelle Graw von der Städelschule Frankfurt, Yilmaz Dziewor, dem Direktor des Museums Ludwig Köln, und dem Kunstkritiker Kolja Reichert. Bei dem Gespräch soll es unter anderem um die Frage gehen, ob es Aufgabe eines Museums ist, mediale Phänomene aufzugreifen, und ob das Schredderbild überhaupt ins Museum gehört. Die Staatsgalerie hatte „Love is in the Bin“ in seiner Sammlung gezeigt und im vergangenen Jahr mehrfach umgehängt – um es in einen Dialog mit Meisterwerken der Kunstgeschichte zu bringen.

So war es zum Beispiel neben dem „Selbstbildnis mit roter Mütze“ von Rembrandt zu sehen oder im Umfeld von Marcel Duchamp. Mit den wechselnden Standorten wollte Christiane Lange beim Publikum Diskussionen anregen. In einer „Speaker’s Corner“ konnten die Besucher ihre Meinung zu dem Werk kundtun.

Das Schredderbild hing in der Staatsgalerie in der Sammlung

Der erfolgreiche Street-Art-Künstler Banksy, der im Jahr 1974 geboren worden sein soll, schafft es seit mehr als 25 Jahren, seine Identität geheim zu halten. Über den Briten kursierten entsprechend schon viele Gerüchte, mal hielt man ihn für den Sänger der britischen Band Massive Attack, mal glaubte man an ein Künstlerkollektiv, dann wieder war man überzeugt, dass es sich um eine Frau handeln muss. 2002 sprühte Banksy im Osten Londons mit Schablonen in Schwarz und Rot ein Mädchen, das einen Ballon in Herzform davonfliegen lässt. Das „Balloon Girl“ wurde aus der Hauswand herausgetrennt und für rund 560 000 Euro versteigert. Das Motiv hat Banksy auf dem Schredderbild wieder aufgegriffen. Da Auktionshäuser in der Regel sorgfältig die eingelieferten Werke untersuchen, ist davon auszugehen, dass Sotheby’s eingeweiht war – auch wenn das Auktionshaus dies dementierte.