Kölsche Tön’ im Kessel: Die Kölner Band BAP hat am Freitag die Freilichtbühne Killesberg gerockt.

Stuttgart - Den Innovationspreis des Bundesjazzbeauftragten wird BAP wohl nicht mehr bekommen. Aber das macht nichts, denn erstens zieht die Band auf der Freiluftbühne Killesberg auch diesmal sympathisch unbeeindruckt von den Moden der letzten dreißig Jahre das Ding durch, das sie einst hervorgebracht hat: Kölschrock. Und zweitens vergisst man leicht, wie neu, wie bahnbrechend das in Deutschland war, damals Anfang der achtziger Jahre, als BAP mit Rockmusik im Dialekt Riesenerfolge feierte: Die Rockmusik bekam ihre Unmittelbarkeit zurück.

 

Insofern ist es nur zum Teil ironisch, wenn der von seinem Schlaganfall im November 2011 offenbar vollständig genesene BAP-Sänger Wolfgang Niedecken (62) nach gut zwei grundsoliden Stunden riffbetonter Rockmusik vor der letzten Zugabe „Jraduss“ den 2500 Zuschauern dankt: „dafür, dass ihr mir das Gefühl gegeben habt, dass ihr jedes Wort versteht“.

Fans müssen die Texte nicht verstehen

Denn natürlich funktioniert es wie immer: Rein verbal versteht der, der das Lied nicht kennt, nichts bis wenig. Aber erstens kennen die meisten Fans die Songs eh auswendig. Und zweitens muss man bei all den schwärmerisch schwebenden Harmonien nicht unbedingt den Text verstehen, um zu erfassen um was es Niedecken in Liedern wie „Diss Nach ess alles drin“ geht: Um den Aufbruch, der womöglich ein Ausbruch hätte werden können, und darum, dass es nach dem Scheitern des Versuchs auch irgendwie weitergeht, weil es ja muss. Das Haupthaar der Zuschauer, die Wolfgang Niedecken immer wieder zum Mitklatschen animiert, und die das vom zweiten Song („Ne schöne Jrooß“) an bereitwillig tun, ist in den letzten drei Jahrzehnten grauer geworden. Und wahrscheinlich mussten die meisten von ihnen während dieser Zeitspanne den einen oder anderen Traum begraben, der vielleicht einst bei einem BAP-Konzert geboren wurde. Aber das Gute an BAP ist ja, dass Wolfgang Niedecken es sich nicht nehmen lässt, seinen Fans immer neue Träume einzuflüstern.

Er tut das in neuen Songs wie „Chlodwigplatz“, wo er zum Reggae-Rhythmus die Verlockungen des Achthundert-Meter-Lebensradius’ beschwört. Er tut das aber auch, indem er Klassiker wie „Nix wie bessher“, „Verdamp lang her“ oder „Kristallnaach“ mit demselben Engagement auflädt wie Jahrzehnte zuvor. Niedeckens beachtliche Standfestigkeit eignet sich nach wie vor als Inspiration.

Handys statt Wunderkerzen

Umso bemerkenswerter, dass sich der Bandchef auch musikalisch das Einflüstern neuer Träume noch nicht abgewöhnt hat: Der Einsatz der Gastgeigerin Anne de Wolff hellt in Stuttgart die gekonnten aber eben auch sehr routinierten Wechselspiele von Gitarrenriffs und Gitarrensoli, von Schlagzeugwucht, Basswanderungen und Pianoperlen merklich auf. Wunderschön, traumhaft schön gelingt zum Beispiel die von ihr begleitete eingekölsche Version von Bob Dylans „My Back Pages“.

Dann doch noch „Do kanns zaubre“ und vorher eine Ansage, die symptomatisch ist für einen, bei dem es immer weitergeht, allein schon, weil es muss: Bei diesem Lied sei früher „der Wunderkerzenverbrauch ins Unermessliche“ gestiegen, sagt Niedecken, „heute haben die Menschen Handys – ist doch auch schön.“ Dann leuchten Handys und Wunderkerzen, zumindest ein paar.