Militante Demonstranten liefern sich in Barcelona am Rande einer Kabinettssitzung der spanischen Zentralregierung Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Mehr als 60 Menschen wurden dabei verletzt.

Barcelona - Eine Kabinettssitzung der spanischen Zentralregierung in Barcelona ist von gewalttätigen Protesten überschattet worden. Militante Demonstranten lieferten sich in der katalanischen Hauptstadt am Freitag Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, wie AFP-Journalisten berichteten.

 

Mehr als 60 Menschen wurden nach Behördenangaben verletzt. Befürworter eines unabhängigen Kataloniens werteten die Kabinettssitzung in Barcelona als „Provokation“. Am Abend zogen Zehntausende Demonstranten friedlich durch das Stadtzentrum. Mit der Verlegung der wöchentlichen Kabinettssitzung nach Barcelona wollte der spanischen Regierungschef Pedro Sánchez aus seiner Sicht ein Zeichen zur Deeskalation im Katalonien-Konflikt setzen. Doch in der Regionalhauptstadt stieß er damit auf breite Ablehnung. Mehrere Vereinigungen von Unabhängigkeitsbefürwortern, darunter die einflussreiche Katalanische Nationalversammlung (ANC), mobilisierten ihre Anhänger zu Protesten gegen die Zentralregierung.

An einem Protestzug beteiligten sich etwa 40.000 Menschen

Einige der Kundgebungen schlugen in Gewalt um. Demonstranten griffen die katalanische Polizeieinheit Mossos d’Esquadra mit Steinen, Metallteilen, Flaschen und Feuerwerkskörpern an, wie AFP-Reporter berichteten. 62 Menschen wurden nach Angaben der regionalen Behörden verletzt, unter ihnen 35 Polizisten. 13 Demonstranten wurden festgenommen. Bereits am frühen Morgen hatten Aktivisten zwei Autobahnen und mehrere Zufahrtsstraßen nach Barcelona blockiert.

In der Nähe des Tagungsorts der Ministerrunde versammelten sich später tausende Demonstranten zu friedlichen Protesten. Sie forderten auf Spruchbändern ein Ende der spanischen „Besatzung“. „Es ist eine Provokation, sie sind gekommen, um uns zu provozieren“, sagte der 45-jährige Demonstrant Carles Serra über die Zentralregierung unter Sánchez. Für den Abend riefen mehrere Gruppen zu einer weiteren Großkundgebung im Zentrum von Barcelona auf.

An einem Protestzug über den Boulevard Passeig de Gràcia zum zentralen Catalunya-Platz beteiligten sich am Abend rund 40.000 Menschen. Die Demonstration unter dem Motto „Lasst uns das Regime stürzen“ blieb gewaltfrei. Inmitten der Menge wurden mit riesigen Buchstaben die Worte „Freiheit“ und „Frieden“ gebildet. „Solange die Unterdrückung andauert, wird die spanische Regierung in unserem Land nicht willkommen sein“, rief einer der Redner, der Schauspieler Pep Planas, den Demonstranten zu.

Das Treffen stieß auf Ablehnung

Das spanische Kabinett hatte am Nachmittag unter strengen Sicherheitsvorkehrungen getagt. Die Ministerrunde beschloss unter anderem eine starke Anhebung des Mindestlohns um 22 Prozent, eine Erhöhung der Beamtengehälter und Investitionen in die katalanische Infrastruktur. „Wir sind hierher gekommen, um unsere Zuneigung und Wertschätzung für Katalonien“ und Barcelona zu zeigen, sagte die spanische Regierungssprecherin Isabel Celaá zum Abschluss der Beratungen. Die katalanische Regierungssprecherin Elsa Artadi äußerte hingegen ihr Unverständnis über die Verlegung der Kabinettssitzung nach Barcelona, da keine wichtigen Beschlüsse gefasst worden seien.

Am Donnerstagabend war Sánchez in Barcelona mit dem katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra zusammengekommen. Beide bekundeten nach dem Treffen ihren Willen zum Dialog. Sie seien entschlossen, einen Ausweg aus der Krise zu finden, kündigten Sánchez und Torra in einer gemeinsamen Erklärung an.

Das Treffen stieß sowohl bei der konservativen Opposition in Madrid als auch bei radikalen Unabhängigkeitsbefürwortern auf Ablehnung. Der Streit um die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens war im Oktober 2017 eskaliert, als der ehemalige Regionalpräsident Carles Puigdemont einen von der spanischen Justiz als illegal eingestuften Volksentscheid organisierte. Nach der Abstimmung rief die Regionalregierung einseitig Kataloniens Unabhängigkeit aus. Die spanische Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy setzte daraufhin Puigdemont und sein Kabinett kurzerhand ab. Mehrere katalanische Unabhängigkeitsbefürworter wurden unter anderem wegen des Vorwurfs der „Rebellion“ festgenommen. Ihnen drohen bis zu 25 Jahre Haft.