Die Arbeitsgruppe Barrierefreies Vaihingen macht zusammen mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Unzulänglichkeiten im Vaihinger Zentrum aus. Die Gruppe fordert eine Verbesserung der Barrierefreiheit.

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Vaihingen - Mit seinem Stock ertastet Winfried Specht die Noppenplatte an der Bushaltestelle am Schillerplatz. Die kleinen Knubbel am Boden zeigen blinden und sehbehinderten Menschen an, dass sich an dieser Stelle die Tür des haltenden Busses öffnet. Doch am Schillerplatz würde Specht ins Leere laufen, denn der Bus hält weiter vorne in der Haltebucht. Dort befindet sich eine zweite ertastbare Bodenmarkierung, die sich an der richtigen Stelle befindet. Die hintere Markierung hätte nur dann Gültigkeit, wenn zwei Busse hintereinander an der Haltestelle stehen. Laut Ivo Josipovic, dem Vaihinger Behindertenbeauftragten, und Gabriele Leitz von der Arbeitsgruppe Barrierefreies Vaihingen kommt das allerdings nur selten vor. Die beiden hatten Winfried Specht, den stellvertretenden Vorsitzenden des Blinden- und Sehbehindertenverbands Württemberg, zu einem Spaziergang durch das Vaihinger Zentrum eingeladen, um Unzulänglichkeiten in Sachen Barrierefreiheit für blinde und sehbehinderte Menschen auszumachen.

 

An der Bushaltestelle direkt vor dem Rathaus befinden sich überhaupt keine Leitlinien und Platten, die anzeigen, wo der Bus hält. „Die ganze Haltestelle sollte umgebaut werden. Höhere Randsteine ermöglichen ein leichteres Einsteigen in den Bus, zudem sollten Leitlinien angelegt werden“, sagt Specht. Er hat allerdings Verständnis für die Situation am Marktplatz. „Das Areal hat sich in den letzten Jahren wenig verändert. Als es erbaut wurde, dachte man noch nicht daran, auf die Barrierefreiheit zu achten“, sagt Specht.

Unzulänglichkeiten identifizieren und verbessern

Hindernisse wie die lockeren Steine auf dem Vaihinger Markt sind für Specht hingegen kein Problem. „Ich halte meinen Stock recht locker, damit lassen sich Unebenheiten gut ertasten, ohne dass der Stock hängen bleibt“, erklärt er, während er zügig über die lockeren Platten hinweggeht. Für Rollstuhlfahrer wie Ivo Josipovic sind die Unebenheiten dagegen gefährlich. Mit den Rollen bleibt er immer wieder an den Kanten hängen, im schlimmsten Fall kann der Rollstuhl kippen. „Der Boden am Vaihinger Markt ist ein wahres Minenfeld. Vor allem wenn es dunkel ist, sieht man die Unebenheiten und lockeren Steine schlecht“, sagt Josipovic.

Die Ampeln rund um den Vaihinger Markt sind alle mit einem Vibrationssignal ausgestattet, das sehbehinderten Menschen anzeigt, wann sie Grün haben. In den meisten Fällen führen Leitlinien auf dem Gehweg direkt zum Ampelmast. Vor dem südöstlichen Eingang der Schwabengalerie hat Specht dennoch Schwierigkeiten, den Signalgeber zu finden. Denn er befindet sich nicht auf der Gehwegseite des Ampelmasts, sondern auf der der Straße zugewandten Seite. „Auf der anderen Straßenseite gibt es gar keine Markierung am Boden“, bemängelt Leitz. Dabei seien gerade Schwabengalerie und Vaihinger Markt stark frequentierte Bereiche, in denen die Orientierung für alle Menschen gewährleistet werden müsse. Die Arbeitsgruppe Barrierefreies Vaihingen hat deswegen einen Antrag zur Verbesserung der Barrierefreiheit aufgesetzt, den sie im Bezirksbeirat einbringen möchte. „Es geht darum, nicht nur die Missstände zu identifizieren, sondern damit anzufangen, sie zu verbessern“, sagt Leitz. „Es liegt in der Verantwortung der Stadt, dafür Geld in die Hand zu nehmen.“

Plakate auf Augenhöhe sind ein echtes Problem

Winfried Specht lobt das Engagement der Arbeitsgruppe. „Es wäre schön, wenn es überall Menschen gäbe, die sich so einsetzen“, sagt der Mann, der früher selbst in Vaihingen gelebt hat, bevor er in den Stuttgarter Süden gezogen ist. Die Leitlinien rund um die Schwabengalerie, die für sehende Menschen unverständlicherweise an der Hauswand enden, sind für Specht eine willkommene Orientierung. „Sie helfen dabei, auf großen Flächen nicht vom Weg abzuschweifen“, erklärt er. Wird der Weg wieder schmaler, helfen Hauswände, Bordsteinkanten und Blumenbeete, sich zurechtzufinden. Dennoch ist die Ortskenntnis unerlässlich. „Man lernt, welcher Weg wohin führt, lernt Anhaltspunkte auszumachen wie unterschiedliche Bodenbeläge oder markante Punkte. Das hilft dabei, sich das Areal vorzustellen, in dem man sich bewegt“, erklärt der Mann, der seit seinem elften Lebensjahr vollständig blind ist.

Schwierigkeiten bereiten sehbehinderten Menschen vor allem flexible Hindernisse wie parkende Lieferwagen oder Mülltonnen, die auf den Gehwegen stehen, ebenso wie Äste und Hecken, die in den Weg hineinragen. „Die kann man nicht mit dem Stock ertasten“, erläutert Specht. Aufsteller und Plakate sind ebenfalls ein Problem, vor allem dann, wenn sie auf Augenhöhe hängen. „Ich bin jedes Mal froh, wenn der Wahlkampf vorbei ist“, so Specht. Man könne zwar nicht alle Hindernisse aus dem Weg schaffen, doch die Barrierefreiheit verbessere sich stetig, hat der stellvertretende Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbands beobachtet. „Die Aufmerksamkeit der Menschen diesbezüglich wächst“, sagt Specht.