Cheerleading hat vor allem im US-Sport Tradition. Der Basketball-Club Alba Berlin indes hat sein Tanzensemble abgeschafft und die Debatte befeuert, ob diese Art der sportlichen Unterhaltung noch angemessen ist.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Ludwigsburg - Let’s dance!“ So heißt es gelegentlich auch mal im Sport. Die große Show bei RTL hat zuletzt jedenfalls Pascal Hens mit seiner Partnerin gewonnen, der ehemalige Handballprofi. Dabei gehört Tanz eigentlich eher zum Basketball, fast schon wie der Korb. In den Pausen schlägt normalerweise die Stunde der Cheerleader – bis zum Start dieser Saison ausgerechnet der Traditionsverein Alba Berlin mit diesem Brauch gebrochen hat. Aus für die Alba Dancers. Das schlug ein wie ein Dunking. Geschäftsführer Marco Baldi nannte als Begründung: „Wir sind zu der Auffassung gekommen, dass das Auftreten junger Frauen als attraktive Pausenfüller bei Sportevents nicht mehr in unsere Zeit passt.“

 

„Wir fühlen uns ja nicht als Pausenbespaßung“

Einspruch kam nicht nur prompt von den unmittelbar Betroffenen: „Wer denkt, diese Entscheidung sei ‚zeitgemäß‘, hat die letzten 100 Jahre Emanzipation verpasst“, schrieb etwa Anne auf Instagram. Rückendeckung erhält sie auch von Ludwigsburger Seite, wo Alba an diesem Sonntag (18 Uhr) zum Spitzenspiel der Liga bei den MHP Riesen antritt – und sich mit den Cheerleadern auf dem Parkett arrangieren muss, ob sie wollen oder nicht. Stellvertretend für ihre Kolleginnen sagt Carolin Fetzer zu den Argumenten der Berliner: „Das fand ich fast schon etwas beleidigend“, so die 25-Jährige, „wir fühlen uns ja nicht als Pausenbespaßung, sondern als Tänzerinnen.“

„Es gibt viele Leute, die nur wegen uns kommen“

Diesbezüglich haben sich die Riesen zu Beginn der Saison sogar etwas Besonderes einfallen lassen und mit der New York City Dance School (NYCDS) einen exklusiven Neuzugang verpflichtet, wenn auch außerhalb des Spielfelds. Die Tanzschule genießt einen ausgezeichneten Ruf über Stuttgarts Grenzen hinaus, wo sie seit 1976 beheimatet ist und wo auch Fetzer eine zweijährige Ausbildung zur professionellen Tänzerin absolviert hat und nun eines der insgesamt 22 Mitglieder des Ensembles ist, das bei den Riesen unter Leitung von Lin Alston auftritt. „Man darf nicht vergessen, dass das Publikum Interesse an uns hat“, betont Carolin Fetzer, „es gibt viele Leute, die nur wegen uns kommen.“ Freunde und Bekannte, die auf die Weise eben auch als Zuschauer für Basketball begeistert werden können.

Professionelle Kunstform

Außerdem habe ihr Programm nichts mehr mit dem klassischen Cheerleading zu tun – von wegen Beine hoch und mit Puscheln wedeln, wie man es auch aus so manchem Kinostreifen kennt. Das dürften nahezu alle Besucher bestätigen, bei denen die Auftritte bisher sehr gut ankommen. „Mit dem neuen Dance Team entstand auch ein komplett neues Repertoire an Choreografien“, erklärt der Künstlerische Leiter Hoang Le Ung. Das musste in der Sommerpause einstudiert werden, teilweise in Sonderschichten. Die regelmäßigen vier Stunden am Sonntag hätten nicht gereicht, um ein professionelles Programm auf die Beine zu stellen, beteuert Fetzer. Zudem habe es eine sogenannte Audition gegeben, also ein Casting, bei dem auch männliche Kandidaten dabei waren, die es dann aber nicht ins Team geschafft haben. Zu schlecht? Fetzer zuckt mit den Schultern. Dabei hatte der auch für den Sport zuständige Innenminister Horst Seehofer in der jüngst entfachten Debatte gemischte Formationen angeregt: „Das würde auch viel stärker unsere Gesellschaft und die Zusammensetzung der Fans abbilden.“

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Bei der NYCDS treten nun aber ausschließlich weibliche Akteurinnen auf, die die besondere Atmosphäre schätzen; nicht nur wegen der Kulisse – wobei Fetzer auch schon vor 15 000 Menschen aufgetreten ist –, sondern weil die Ausrichtung in der Ludwigsburger MHP-Arena nach vier Seiten eine besondere Herausforderung darstellt: „Sonst gibt es auf der Bühne immer nur eine Front, das ist schon eine Umstellung.“ Die aber Spaß macht, darauf legt Fetzer wert: „Wir sehen uns als ein Team.“ Sie glaubt, dass die Berliner Entscheidung andere Gründe hatte – finanzieller Art. Denn die Alba Dancers sind eine sehr professionelle Truppe, „die hatte ihren Preis“. Le Hung sagt zu der Berliner Lösung: „Ich sehe das als Rückschritt an. Zeitgemäß wäre gewesen zu erkennen, dass Tanz zuletzt immer mehr gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland erfahren hat, aber noch lange nicht genug wie in anderen Nationen, etwa den USA, Frankreich, Korea oder Japan. Gerade als einer der Pioniere der Liga hätte Alba Berlin sich hierfür engagieren können.“

Eher zugeknöpft, als reißerisch

Auch was die Kleidung angeht, zeigt sich die NYCDS zeitgemäß, das heißt eher zugeknöpft als reißerisch – schon aus ureigenem Interesse. „Wenn man Angst hat, dass man etwas sieht, tanzt man nicht befreit“, gibt Fetzer zu. Auch wenn das Team zuletzt bei den Riesen mal in Hotpants aufgetreten ist, doch das wird eher die Ausnahme bleiben, aus rein pragmatischen Gründen. „Jetzt wird es langsam Winter und kälter, das muss man auch berücksichtigen.“ Schließlich stehen die Tänzerinnen einen Großteil der Zeit am Spielfeldrand und warten auf ihren Einsatz. Der kommt oft spontan und erfordert deshalb viel Konzentration von den jungen Damen im Alter von 17, 18 bis knapp über 30. Zumal Carolin Fetzer sagt: „Wir fiebern ja mit und wollen, dass die Mannschaft gewinnt.“