Er gehört zur gleichen weißen Generation wie US-Präsident Donald Trump, ist aber in der Welt des US-Sports eine der bedeutendsten Stimme gegen Rassismus und Diskriminierung. Gestatten, US-Basketball-Nationaltrainer Gregg Popovich.

Stuttgart - Ein Knurrer wie Huub Stevens, schlagfertig wie Jürgen Klopp, intellektuell wie Ewald Lienen und kauzig wie Christian Streich – wer den us-amerikanischen Basketball-Nationaltrainer Gregg Popovich mit deutschen Coaches vergleichen möchte, kommt nicht umhin, die berühmtesten, witzigsten und intelligentesten ihres Fachs zu nennen.

 

Dass er zudem zu den erfolgreichsten NBA-Trainern der vergangenen 25 Jahre zählt, macht ihn zu einer der prägendsten Figuren in der Sportwelt Nordamerikas in diesem Jahrtausend.

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Greg Popovich ist ein weißer, 70-jähriger Mann, der trotz seines Alters und seiner Optik das Gegenteil dessen verkörpert, was sich in den vergangenen Jahren unter dem Begriff „alter, weißer Mann“ in der gesellschaftspolitischen Debatte verfestigt hat. Rassismus, Waffengesetze, Gleichberechtigung oder Polizeigewalt – kaum ein Thema, bei dem sich Popovich nicht klar und eindeutig positioniert. „Donald Trump? Ein seelenloser Feigling, der das schlechteste im Menschen hervorbringt“, entfuhr es ihm nach der Wahl des 45. US-Präsidenten im Jahr 2017.

Klare Kante gegen Rassismus

Nun steht Popovich mit dieser Meinung in den USA nicht alleine da – das so offen zu äußern, den 73-jährigen Präsidenten unverhohlen einen Rassisten zu nennen, das trauen sich weiße Verantwortungsträger in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA nur selten. Als Cheftrainer der San Antonio Spurs, einem Club mit einer treuen Fangemeinde im Herzen von Texas, in „Trump-Country“, machte er sich damit nicht nur Freunde. Texas gilt als Basis von Trumps republikanischer Partei. Aber darauf pfeift der 70-jährige Coach. Nachdem Trump ein rassistisch motiviertes Attentat nicht klar als solches brandmarkte, griff Popovich gar direkt die republikanischen Wähler in seiner Wahl-Heimat Texas an: „Ich frage mich, wo für die Leute, die ihn gewählt haben, die Grenze ist. Was werden sie noch alles dulden? Wann taucht auch bei ihnen so etwas wie Moral und Anstand auf?“

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Rums! Das war deutlich.

Erlauben kann sich das Popovich, weil er dank seiner sportlichen Erfolge und seines öffentlichen Standings quasi unangreifbar ist. Seit 1996 sitzt er auf der Trainerbank der San Antonio Spurs, gewann in dieser Zeit fünf NBA-Titel und ist der am längsten amtierende Profi-Trainer in den USA. Mehr als 200 Coaches wurden im gleichen Zeitraum in der NBA eingestellt und wieder entlassen, länger als zehn Jahre durfte keiner von ihnen seinen Job ausüben. Bei Journalisten ist er für seinen Zynismus geliebt und gefürchtet – was er von den obligatorischen Interviews in einer Spielunterbrechung hält, lässt er die US-Medien ebenso spüren wie seine Lust, an einem guten Tag eine gesellschaftspolitische Debatte loszutreten.

Spieler sind voll des Lobes über Popovich

„Popovich ist nicht nur ein ausgezeichneter Basketball-Trainer“, sagt sein Spieler LaMarcus Aldridge. „Er vermittelt Werte, die weit über den Court hinausgehen.“ Als die Spurs vergangene Saison in New York antreten mussten, versammelte Popovich die gesamte Reisedelegation des Teams, um auf dem Broadway „Hamilton: An American Musical“ anzuschauen. Es handelt vom amerikanischen Gründervater Alexander Hamilton, der Hip-Hop-Kultur, Rassismus und Ausgrenzung. „Der Trainer vermittelt uns, dass wir verstehen müssen, welche hervorgehobene Stellung wir haben und was um uns herum in der Welt passiert“, sagt Aldridge.

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Als Kind einer jugoslawischen Einwandererfamilie – der Vater war Kroate, die Mutter Serbin – wuchs Popovich in einem Multikulti-Viertel in East Chicago, Indiana, auf. Weiße waren dort in der Minderheit, der Großteil der Bevölkerung war afro- oder lateinamerikanischer Abstammung. „Es funktionierte, weil alle einen Job in der Stahlindustrie hatten“, sagt Popovich heute. Unruhen, Überfälle und Morde hätten erst zugenommen, als die Jobs in der Stahlindustrie wegbrachen. Dass Popovich nach seiner College-Ausbildung fünf Jahre im US-Militär diente, verleiht seiner Stimme Bedeutung bis tief in konservative Kreise hinein. Als die Debatte um Colin Kaepernick und das Knien bei der Nationalhymne die öffentliche Debatte bestimmte, nannte er Kaepernick „einen echten Patrioten“ – den US-Präsidenten dagegen eine „Schande für unser Land“. Tony Parker, legendärer französischer Ex-Spielmacher der Spurs, sagt über ihn: „Pop ist farbenblind.“ Der Sohn eines afrikanischen Auswanderers erzählt: „Er sieht immer nur den Menschen: Was er kann, was er nicht kann und hat entsprechende Erwartungen an ihn.“

Die erste Frau auf der NBA-Trainerbank sitzt neben Popovich

Zu dieser Herangehensweise passt, dass Popovich einer der ersten Cheftrainer war, der auf Basketballtalente aus der ganzen Welt setzte. Europäer, Australier, Afrikaner – die Herkunft ist Popovich genauso egal, wie die Hautfarbe. Entscheidend sind allein Talent und Wille. Auch die erste Frau auf einer Trainerbank in der NBA saß an seiner Seite. „Warum sollte sie nicht eines Tages NBA-Cheftrainerin werden?“, sagt er über seine Assistentin Becky Hammon, die einst für Russland bei Olympia spielte und einmal Silber und einmal Bronze gewann. „Er schaut immer über den Tellerrand“, sagt Parker.

Zur WM fährt Popovich ohne den Großteil der NBA-Superstars – der Titel wird in den USA dennoch erwartet. Der Starcoach hat aber ohnehin ein übergeordneteres Ziel: „Wir können die Gespaltenheit in unserem Land nicht reparieren“, sagt er: „Aber wir können ein großartiges Beispiel abgeben, wie unterschiedliche Menschen zusammenkommen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.“

Gesprochen wie ein wahrer Präsident.

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