Wenn schon schlecht, dann richtig schlecht. Das ist das Motto der Teams am Tabellenende der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA. Denn der letzte Platz bedeutet eine gute Ausgangsposition für den Draft – um ihn ist ein regelrechtes Schneckenrennen entbrannt.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Die Letzten werden die Ersten sein, heißt es schon in der Bibel. Und auch in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA gilt dieses Prinzip – zumindest, wenn es um die Verteilung der Nachwuchsspieler geht. Denn die schlechtesten Teams der Vorsaison haben im sogenannten Draft, in dem sich die Clubs die Zugriffsrechte an den Talenten aus dem College oder von ausländischen Vereinen sichern können, die erste Wahl.

 

Da es keinen Abstieg gibt, ist der letzte Platz in der Abschlusstabelle also mit Blick in die Zukunft sehr interessant. In dieser Saison entwickelt sich geradezu ein Schneckenrennen darum. Gleich acht Teams liegen nach drei Viertel der Hauptrunde mit 82 Partien fast gleichauf am Ende des Feldes und machen nicht gerade den Eindruck, besonders auf weitere Siege zu brennen. So eine extreme Ballung gab es im Kampf um die meisten Niederlagen noch nie. Zwei Mannschaften weisen nur jeweils 18 Erfolge auf. Vier stehen bei 19, darunter die Dallas Mavericks mit den beiden Würzburgern Dirk Nowitzki und Maximilian Kleber sowie die Atlanta Hawks um Dennis Schröder aus Braunschweig. Zwei, darunter die Chicago Bulls mit dem verletzten Heidelberger Paul Zipser, kommen auf 20 Siege.

600 000 Dallar Strafe für Mavericks-Besitzer Mark Cuban

Der Mavericks-Besitzer Mark Cuban hat es sich vor wenigen Tagen 600 000 Dollar (knapp 490 000 Euro) kosten lassen, seine Spieler mit Nachdruck darauf aufmerksam zu machen, dass Niederlagen in der derzeitigen Situation besser sind für den Verein als Siege. „Die Play-offs sind außer Reichweite, Verlieren ist deshalb unsere beste Option“, sagte der eigenwillige Self-Made-Milliardär in einem Podcast-Gespräch mit der NBA-Legende Julius „Dr. J“ Erving über ein Abendessen mit den Routiniers seines Teams: „Sie haben es gehasst, das zu hören.“

Die NBA wiederum fand es nicht gut, von all dem zu hören – und belegte Mark Cuban mit der saftigen 600 000-Dollar-Strafe wegen öffentlicher Äußerungen, die für die Liga schädlich sind. So offen hatte noch nie jemand ausgesprochen, was die Funktionäre von vielen Hinterbänklern insgeheim denken (und in der Vergangenheit allenfalls unter der Hand preisgegeben hatten).

Tops und Flops an Position eins im Draft

Es gab immer wieder mal Momente in der Geschichte, in der das erste Draftrecht einen NBA-Club mit einem Schlag aus der Versenkung geholt hat. Shaquille O’Neal (1992/Orlando Magic), Tim Duncan (1997/San Antonio Spurs) oder LeBron James (2003/Cleveland Cavaliers) sind gute Beispiele dafür. Aber zum einen gibt es dieses Jahr keine so klare Nummer eins wie in jenen Jahren; das slowenische Wunderkind Luka Doncic von Real Madrid und der 2,16-Meter-Center DeAndre Ayton von der Arizona-Uni, beide 19, sind die ersten Anwärter. Und zum anderen gibt es für jeden Superstar wie Shaquille O’Neal, Tim Duncan oder LeBron James einen Michael Olowokandi (1998/Los Angeles Clippers), Kwame Brown (2001/Washington Wizards) oder Anthony Bennett (2013/Cleveland Cavaliers) – Spieler, die trotz aller Vorschusslorbeeren nicht in der Liga Fuß fassen.

Es existiert sogar ein Terminus für das Verlieren zur Verbesserung der Draftposition: Tanking. Davon spricht man normalerweise, wenn eine Volkswirtschaft zusammenbricht oder ein Markt abstürzt. In der NBA bedeutet der Begriff, dass eine Mannschaft bewusst Niederlagen sammelt wie Payback-Punkte, um möglichst schlecht abzuschneiden. „Es ist anstößig“, sagt Dirk Nowitzki dazu. „Ich gehe davon aus, dass jeder Spieler sein Bestes gibt. Ich bin kein Fan von Tanking. Ich will nichts davon hören. Ich spiele mit vollem Einsatz. Ich spiele, um zu gewinnen.“

Wie die Teams ihre Bilanzen ruinieren

Um die Bilanz schön zu ruinieren, gibt es verschiedene Methoden. Gängig ist, gestandene Spieler an andere Vereine abgegeben, um die Leistungsfähigkeit der Mannschaft zu mindern – so wie es etwa die Atlanta Hawks und die Chicago Bulls vor der Saison mit der Proklamation eines Neuaufbaus getan haben. Anrüchiger ist es, dass manche Clubs in den Partien mehr Wert auf die individuelle Entwicklung junger Akteure abzielen als auf das Ergebnis, um es mal positiv zu formulieren. So standen beispielsweise bei den Dallas Mavericks zuletzt in der Schlussphase immer wieder mal bevorzugt unerfahrene Spieler wie der Liganeuling Maximilian Kleber auf dem Feld statt Dirk Nowitzki und anderen Routiniers. Offiziell, um Erfahrung in kritischen Spielphasen zu sammeln.

Es gibt Mutmaßungen, wonach Teams wie eben die Mavericks gezielt analytische Daten für die Aufstellung in bestimmten Situationen heranziehen, um effektiv ihre Siegchance zu minimieren. Auch das ist Kunst – die Kunst des Verlierens. Wobei die Mavericks und die Chicago Bulls an diesem Freitagabend ein Problem dabei bekommen, denn sie treffen aufeinander – und Unentschieden gibt es in der NBA nicht.