Als bestes Team Deutschlands reist Ratiopharm Ulm zum Pokalduell nach Ludwigsburg. Der Erfolg des Tabellenführers der Basketball-Bundesliga ist aber kein Zufall – sondern das Ergebnis einer längeren Entwicklung.

Ludwigsburg - Wäre Erfolg im Basketball ein Puzzle, dann wäre Thorsten Leibenath das Mittelstück. Eines dieser Teile mit vielen Nasen und Einkerbungen, ohne das ein Puzzle nicht zusammenhalten würde; eines, ohne das das gesamte Bild keinen Sinn ergeben würde. Leibenath ist einer der entscheidenden Schöpfer dieses sportlichen Puzzles, das Ratiopharm Ulm so erfolgreich macht. Ein bisschen davon, ein bisschen hiervon: Der schwäbische Bundesligist hat sich zum derzeit heißesten Team der Basketball-Bundesliga entwickelt. Nicht katapultiert, es ging irgendwie langsamer – aber doch rasend schnell.

 

Thorsten Leibenath, 42 Jahre alt, ist Trainer des deutschen Vizemeisters und derzeitigen Tabellenführers Ratiopharm Ulm – und damit auch der Trainer eines Clubs, dessen Tausend-Teile-Puzzle im Jahr 2001 herunterfiel und auseinanderbrach: Die Insolvenz des SSV Ulm 1846, unter dessen Dach die Basketballabteilung damals stand, bescherte dem Verein den Zwangsabstieg in die zweite Liga. Die Übernahme durch die Basketball Ulm GmbH 2001 war die Geburtsstunde von Ratiopharm Ulm – die ersten Puzzlestücke wurden zusammengeführt. Es gelang der Aufstieg 2006 zurück in die Bundesliga, wo der Basketball-Traditionsstandort Ulm hingehört. Mittlerweile nachgewiesenermaßen.

Im Jahr 2006 gelang der Aufstieg in die Bundesliga

Die Zeitrechnung des smarten Puzzlers Thorsten Leibenath in Ulm begann im Jahr 2011. Er verlieh der bis dahin guten sportlichen Entwicklung ein neues, rasantes Tempo: Schon im Jahr darauf erreichte Ulm erstmals das Finale um die deutsche Meisterschaft. Leibenath wurde zum besten Trainer der Liga gewählt. Seitdem ist Ulm in den Kreis der Topmannschaften der Bundesliga aufgerückt. Bis dahin war in der Vergangenheit immer nur von den drei großen B die Rede gewesen: Berlin, Bamberg und Bayern. Erst dahinter wurden Mannschaften wie Ulm oder Oldenburg genannt.

Alles Vergangenheit, denn seitdem Thorsten Leibenath das derzeit perfekte Puzzle in Ulm zusammengesetzt hat, scheint alles möglich. In der Vorrunde blieben die Ulmer ungeschlagen, 17:0 Siege. Auch die großen B verloren allesamt gegen diese Ulmer Kombination aus Leistung, Einstellung, Konzentration und Willen. „Wenn man wie wir international spielt, hat man eigentlich zwei bis drei Spiele in der Vorrunde, bei denen man es durch fehlende Intensität oder Konzentration nicht schafft, die nötige Leistung abzurufen. Das gab es bei uns in unserer Vorrunde nicht“, sagt Thorsten Leibenath. Auch die Vorrunde im Eurocup war kein Problem.

Die Ulmer blieben in der Vorrunde als einziges Team ungeschlagen

Doch nun wartet der dritte Wettbewerb: der Pokal. Und als wollte das Schicksal die Ulmer auf eine harte Probe stellen, geht es am Sonntag (18 Uhr) ausgerechnet im Derby bei den MHP Riesen Ludwigsburg um den Einzug ins Halbfinale. „Das ist ein klarer Nachteil. Wir wollten unbedingt zu Hause spielen. Jetzt müssen wir auswärts ran – und dann auch noch in Ludwigsburg“, sagt der Trainer: „Wer die Spiele der vergangenen Jahre gesehen hat, weiß, dass wir in Ludwigsburg immer Probleme hatten, Punkte zu generieren.“ Bescheidenheit oder Tiefstapelei? Es ist immerhin seine Mannschaft gewesen, die (freilich in eigener Halle) den defensivorientierten Ludwigsburgern mit 97 Punkten die meisten Körbe aller bisheriger Riesen-Gegner eingeschenkt haben.

Dennoch zeugt es eher von großem Respekt vor der Defensive der MHP Riesen, denn von Tiefstapelei: Ulm ist mit 92,7 Punkten pro Spiel mit großem Abstand die beste Offensivmannschaft der gesamten Bundesliga und macht sich trotzdem Sorgen um den offensiven Ertrag. Es ist genau das, was das Ulmer Erfolgsrezept dieser Saison ausmacht: „Ich habe bei keinem Spieler nur im Ansatz das Gefühl, dass er abheben könnte“, sagt Thorsten Leibenath. Das ist die Identität dieser Ulmer Mannschaft: das Urschwäbische, Bodenständige, Unaufgeregte – ein großes Puzzlestück des Erfolgs.

Ulms Offensivpower ist in der gesamten Liga gefürchtet

Ein perfektes Beispiel ist die Anfangsphase der vergangenen Saison: Sechs der ersten acht Spiele gingen verloren, ersten Fragen nach einem Trainerwechsel kamen auf. Aber die Ulmer Verantwortlichen blieben ruhig, vertrauten Thorsten Leibenath. Es zahlte sich aus. Nach Hinzufügen einiger Spieler zu dem Team-Puzzle und einigen Umstellungen reichte es am Ende zur Finalteilnahme.

Mit der Leistung und der stetigen Entwicklung sind auch die Ansprüche in Ulm gestiegen. Jetzt sollen auch Titel her. Zu oft stand in der Vergangenheit das Präfix Vize- vor dem Wort Meister (2012, 2016) oder Pokalsieger (2013, 2014). Aber die nationalen Titel führen nur über das europäische Spitzenteam Bamberg. Und da die Deutsche Meisterschaft in Serien ausgespielt wird – man müsste dreimal gegen Bamberg gewinnen – scheint eine andere Titeloption sehr viel einfacher: der Pokal. Im K.o.-Modus geht es am Sonntag im Derby zur Sache.