Beim Abriss der Wohnanlage an der Beethovenstraße wurde die markante Skulptur eingelagert. Jetzt ist sie verjüngt an die Fassade der Neubebauung mit 48 Wohnungen zurückgekehrt.

Stuttgart-Botnang - So schwebt also ein Engel ein – von wegen, leicht und ätherisch: Rund zwei Tonnen wiegt der Botnanger Engel, jetzt, da er auf eine Betonplatte montiert wurde, und es verlangt dem Kranführer einiges ab, bis die Figur an ihrem neuen und gleichzeitig alten Platz an der Beethovenstraße 70 angelangt ist. Die feierliche Heimkehr der markanten Fassadenplastik mit der Aufschrift „Freude schöner Götterfunken“ markierte am vergangenen Donnerstag zugleich das Ende einer Baumaßnahme, über die zu ihrer Zeit erbittert gestritten wurde, mit der aber mittlerweile die allermeisten Menschen ihren Frieden gemacht zu haben scheinen. So aber blieb der Festakt ungetrübt. Dass zeitgleich die Sirenen hätten erprobt werden sollen – Schwamm drüber: Kein Alarm unterbrach die Feierlaune.

 

Dabei hatten die Baumaßnahme des Bau- und Wohnungsvereins Stuttgart, beim Festakt am Donnerstag vertreten durch die Vorstände Jürgen Oelschläger und Thomas Wolf, und der Abriss des alten Gebäudebestands aus dem Jahr 1927 reichlich Staub aufgewirbelt – buchstäblich. Nicht ganz unerwartet, schien das Bauvorhaben doch in das leider gängige Schema zu passen: Erst Luxussanieren und dann die Miete satt aufstocken. Am Ende seien es vor allem zwei Parteien gewesen, die erbittert mit dem Wohnungsunternehmen rangen, erzählte Bezirksvorsteherin Mina Smakaj, die ebenfalls gekommen war, um die Rückkehr des Engels mitzuverfolgen.

Mina Smakaj zeigte sich sehr zufrieden mit den Neubauten

Am Ende halfen jedenfalls alle Proteste nichts: Der Räumungsklage wurde stattgegeben und die ebenfalls vom Bau- und Wohnungsverein erbauten Häuser in ihrem auffallenden Grünton fielen – wenn auch drei Jahre später als geplant. Inzwischen scheinen sich die Wogen geglättet zu haben: Die allermeisten Mieter seien mit den Ersatzquartieren so zufrieden, dass sie von einer Rückkehr in die neu erstellte Wohnanlage absehen, so Jürgen Oelschläger. Die 48 Neubauwohnungen mit insgesamt 3582 Quadratmetern Grundfläche seien bereits bezogen, ergänzte auch Architekt Steffen Keck: Wobei vor allem auch die wohnliche Ausrichtung weg von der Straßenseite und hin zur ruhigeren Rückseite der Anlage großen Anklang finde.

Der Fassadenengel stellt die „Tochter aus Elysium“, also eine Bewohnerin der Insel der Seligen, aus der Ode „An die Freude“ dar, die Friedrich Schiller 1785 mit nur 26 Jahren geschrieben hatte. Ludwig van Beethoven vertonte das Werk 1815 im 4. Satz der 9. Sinfonie, die seit 1972 auch die Hymne des Europarats ist. Als die Botnanger Wohnanlage 1927 erbaut wurde, jährte sich Beethovens Todestag gerade zum hundertsten Mal. Vielleicht gab das den Ausschlag bei der Wahl des Themas. Genaueres wird man vielleicht nie erfahren, da sich anscheinend der Schöpfer der Plastik nicht mehr benennen lässt.

Auf den Straßennamen können sich der unbekannte Künstler und seine Auftraggeber freilich nicht bezogen haben: Die umliegenden, nach Komponisten benannten Straßen entstanden erst später, so Keck: „In den alten Straßenkarten ist noch ein anderer Name verzeichnet: Sie hieß damals noch Neue Stuttgarter Straße; der Name Beethovenstraße kam erst später.“ Der Engel ist überdies nicht die einzige Reminiszenz an die ursprüngliche Gestaltung der Anlage: Auch die auf die Fassaden aufgemalten Tierwesen hat man vor dem Abriss dokumentiert – sie zieren nun sandgestrahlt die Eingänge der neuen Anlage.

Mina Smakaj zeigte sich sehr zufrieden mit den Neubauten, die den Ortseingang ihres Stadtbezirks stark aufwerten. Sie lobte den Bau- und Wohnungsverein, der die Mieterhöhung insgesamt moderat gehalten habe und seinen Mietern auch mit Ersatzwohnungen sowie beim Umzug selbst geholfen hatte. Besonders schätzt die Bezirksvorsteherin aber das in Stein gemeißelte Motto der Engelsfigur: „Das ist doch schön: Man fährt um die Kurve, liest ,Freude schöner Götterfunken‘ – und da ist Botnang!“