An diesem Samstag soll mit dem Betonieren des komplexen Schalendachs für den Durchgangsbahnhof bei Stuttgart 21 begonnen werden. Die Arbeiten hinken knapp zweieinhalb Jahre hinter dem ursprünglichen Terminplan her. Die Herausforderungen sind zahlreich.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Mit viel Respekt vor der Aufgabe beginnen an diesem Samstag die Bahnhofsbauer mit einem ersten Segment des für die S-21-Station charakteristischen Schalendachs. Dieses wird von 28 geschwungenen Kelchstützen getragen. Am Wochenende soll erstmals Beton in einen sogenannten Restkelch gegossen werden. Obwohl der nur einen kleinen Teil des Dachs darstellt, müssen mehr als 460 Kubikmeter Beton fließen – genug, um einen Würfel von mehr als sieben Meter Kantenlänge zu füllen. „Auch wenn der Restkelch kein Lichtauge trägt, ist das eine komplizierte Sache“, so Michael Pradel, bei der Bahnprojektgesellschaft Stuttgart-Ulm für den Bau der Bahnhofshalle zuständig.

 

Die Bahnhofsbauer unterscheiden je nach Größe und Umfang in 28 komplette Regelkelche und Randkelche, die nur einen Aussschnitt der ansonsten kreisrunden Deckenkonstruktion bilden. Dazu gesellen sich noch 14 Restkelche. Auch wenn diese nur die Andeutung einer weiteren Stütze sind, ist der Aufbau komplex. Auf eigens auf Maß gefertigten Schalelementen sind Baustahlstreben verlegt. Die bis zu 32 Millimeter starken Eisenstäbe bringen zusammen 167 Tonnen auf die Waage. Bis zu zwölf Fachmänner aus der Türkei gleichzeitig haben das Stahlgeflecht in Position gebracht.

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70 Kubikmeter Beton pro Stunde

Am Samstag sollen sich zwischen das Geflecht stündlich rund 70 Kubikmeter Beton ergießen. Die werden beim Aushärten bis zu 70 Grad heiß. Überhaupt die Temperatur: Eine Hitzewelle könnte die Pläne noch zunichte machen, denn wenn schon die Bestandteile des Betons durch die Umgebungstemperatur zu warm sind, fällt das Betonieren aus. Der Bau der komplizierten Dachkonstruktion steht stellvertretend für den Terminverzug, der mittlerweile bei Stuttgart 21 aufgelaufen ist, das nach derzeitigen Prognosen 2025 in Betrieb gehen soll. Im August 2014 begannen die Aushubarbeiten im Mittleren Schlossgarten.

Damals zeigte sich die Bahn und das von ihr beauftragte Unternehmen Züblin zuversichtlich, dass der nun zur Betonage anstehende Restkelch bis Oktober 2015 realisiert sein würde. Nicht zuletzt die Umplanung der Fluchtwege hat das Vorhaben massiv verzögert. Zudem machen die Vorgaben des Brandschutzes zu schaffen. Ottmar Bögel, bei Züblin für den Bahnhofsneubau zuständig, erinnert an die Versuche, bei denen der Bahnhofsbeton binnen fünf Minuten auf 1200 Grad erhitzt wurde und dieser Temperatur eine Stunde lang Stand halten musste.

Die Konstruktion mit ihren geschwungenen Formen, wie sie der S-21-Architekt Christoph Ingenhoven ersonnen hat, sei etwas „absolut ungewöhnliches. Das findet man sonst nirgends“, sagt Bögel. Der Einbau des Bewehrungsstahls wird von Vermessungsingenieuren begleitet. „Mit dem sonst üblichen Maßband oder Meterstab kommen Sie da nicht weiter“, so Bögel. Die Stahlstäbe folgen genau vorgegebenen Krümmungen, die sie in einem Werk in Denkendorf (Kreis Esslingen) erhalten. Auf der Baustelle besteht die Herausforderung auch darin, den richtigen Stab an der richtigen Stelle einzubauen. Noch ein Problem galt es zu lösen. Die Eisenflechter hätten mit ihren üblichen schwarzen Schuhen womöglich die Schalelemente verschmutzt, die den Dreck an den Weißbeton abgegeben hätten. Bögel wurde im Fleischereifachbedarfshandel fündig: Die Stahlarbeiten tragen nun weiße Sicherheitsschuhe.