Die Grünen in Stuttgart stellen wohl künftig den Baubürgermeister. Der soll sich nicht nur um die Gleichberechtigung aller Verkehrsträger kümmern, sondern auch mehr externe Hilfe annehmen. Als Vorbild gilt der Gestaltungsbeirat in Freiburg.

Stuttgart - Wenn sich die Grünen im Stuttgarter Rathaus nicht doch noch umentscheiden, dann regeln sie am Donnerstag die Nachfolge von Planungs- und Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD), der vorzeitig aus seinem Amt scheidet. Mit längerem Warten würde der Eindruck erweckt, die Ökopartei sei sich uneins, was Begehrlichkeiten beim politischen Gegner wecken könnte. So haben SÖS-Linke-Plus und FDP bereits eigene Vorschläge zur Nominierung unterbreitet.

 

Das Votum der 14-köpfigen Fraktion ersetzt nicht die Wahl im Gemeinderat; da die Grünen aber das Vorschlagsrecht haben, gilt der Fraktionsvorsitzende und Architekt Peter Pätzold als Favorit auf den Bürgermeisterposten. Seiner Kontrahentin Gabriele Munk, Stadträtin und Stadtplanerin, werden geringe Chancen eingeräumt.

Dass das der Bundesvorsitzende Cem Özdemir ändern kann, wie von grüner Frauenseite gewünscht, erscheint ebenso unwahrscheinlich wie eine Wahl des Kandidaten durch die Parteibasis, wie dies nun der Ex-Kreischef Philipp Franke ins Gespräch gebracht hat. Die jetzige Amtsinhaberin und Ex-Fraktionsvorsitzende Muhterem Aras hat jedenfalls schon abgewinkt.

Wildem Investorentreiben Einhalt gebieten

Vom Hahn-Nachfolger wird nicht mehr erwartet, als dem wilden Investorentreiben Einhalt zu gebieten. Mit gemeinderätlichem Segen wurden allzu viele Einkaufszentren und anonyme Büroriegel realisiert und Schützenswertes für den Abriss freigegeben. Das dürfte zu meistern sein, weil der grüne Baubürgermeister nicht Gefahr läuft, einen OB wie Wolfgang Schuster hintre sich zu haben, der von der Vision beseelt war, aus Stuttgart eine Weltstadt zu machen. Fritz Kuhn kann man jedenfalls bisher nicht nachsagen, in erster Linie Investoreninteressen bedienen zu wollen.

Die Frage, was die Stadt lebendig mache, hat SÖS-Linke-Plus-Chef Hannes Rockenbauch, ein Stadtplaner, in die Debatte geworden. Antworten werden für das Rosensteinviertel hinterm Hauptbahnhof und den Neckarpark in Bad Cannstatt erwartet. Die Stuttgarter Architektin Jorunn Ragnarsdottir hat unlängst in der StZ mit einem Essay über den lebenswerten Westen eine Debatte über urbanes Leben in „guten Stadtquartieren“ angeregt, die ihre Qualität der „Geduld von Stadtvätern, Bauherren und Architekten“ zu verdanken haben.

Von Ragnarsdottirs Kompetenz profitiert derzeit die Stadt Freiburg. Wie der bekannte Stuttgarter Architekt Tobias Wulf gehört sie dem dortigen Gestaltungsbeirat an. Ein solches Gremium können sich die Grünen – im Geiste einer stärkeren Bürgerbeteiligung – durchaus auch in Stuttgart gut vorstellen, als Ersatz für den mit Stadträten sowie mit lokal verorteten Sachkundigen bestückten Städtebauausschuss.

Freiburger Beiratsmitglieder bauen nicht vor Ort

Das Gremium hat diverse Webfehler: Viele Projekte werde gar nicht oder viel zu spät diskutiert. Außerdem herrscht ein ausgeprägtes Konkurrenzdenken. Dagegen baut keines der Mitglieder des Freiburger Gestaltungsbeirats an der Breisach. Er steht der Verwaltung nur beratend zur Seite, vor allem für solche Projekte, „die wegen ihrer Lage, ihres Umfelds, der Ensemblewirkung oder ihrer Bedeutung für das Stadtbild prägend in Erscheinung treten“.

Das fünfköpfige Gremium, besetzt aus den Gebieten Architektur, Stadtplanung und Landschaftsarchitektur, begleitet die Projekte von Anfang an, steuert fachliche Argumente bei und versachlicht so die Diskussionen. Der Beirat tagt fünf- bis sechsmal im Jahr und prüft bis zu 25 Vorhaben in öffentlichen Sitzungen, zu denen 50 bis 60 Interessierte kommen. Der Stuttgarter Ausschuss tagt auch öffentlich – aber meist vor leeren Rängen. Auch Regensburg verfügt über einen Gestaltungsbeirat. Darin sitzen Vertreter aus München, Berlin, Madrid und Wien.

Neuer Bürgermeister in der Pflicht

Die Grünen wollen besser als bisher den Sachverstand von Bürgern, örtlichen Instituten nutzen, um die Arbeit der Verwaltung zu optimieren. Das habe OB Schuster zwar auch getan, aber es sei halt auf die Dauer nicht zielführend gewesen, sich nur auf die Meinung des bekannten Professors Werner Sobek zu verlassen, ist von den Grünen zu hören.

Von neuen Besen wird auch erwartet, dass sie im eigenen Haus kehren. In Stuttgart müssten Stadtplanungsamt, Baurechtsamt und das Amt für Umweltschutz zusammen wirken und sich mit dem Ordnungsamt besser abstimmen, heißt es. Ein grüner Baubürgermeister wird kaum auf die Idee kommen, nur noch Radwege zu bauen. Er wird aber stärker auf die Gleichberechtigung aller Verkehrsträger achten. Er wird nicht versuchen wollen, S 21 zu verhindern, er soll aber dahinter her sein, dass sich seine Ämter nicht von der Bahn und dem Eisenbahnbundesamt vorführen lassen. Auch in diesen Punkten hat er die Rückendeckung des OB. Das gilt auch beim Feinstaub, der Energiewende und dem energetischen Bauen. Für einen Aufbruch steht noch ein Neuer – der Umweltamtsleiter Hans-Wolf Zirkwitz.