An Baudenkmalen fehlt es Baden-Württemberg nicht, an Erhaltungssinn durchaus. Die Zentralfeier des nächsten bundesweiten Tags des offenen Denkmals findet in Ulm statt. Das soll eine Chance fürs ganze Land sein.

Ulm - Der kleine Sitzungssaal des altehrwürdigen Ulmer Rathauses – weniger Glanz sollte es nicht sein für die von Steffen Skudelny so bezeichnete „Kickoff-Veranstaltung“ zum bundesweiten Tag des offenen Denkmals. Dessen Zentralveranstaltung wird in diesem Jahr auf einer Bühne auf dem Münsterplatz aufgeführt. Skudelny ist Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz mit Sitz in Bonn, die die Denkmaltage organisiert. Kick off, das hätten die altvorderen Ulmer Patrizier, die einst bauen ließen, was heute gefeiert wird, nicht verstanden. Andererseits passt das Denglisch gut zum Motto 2019: „Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur“.

 

Der 1993 ins Leben gerufene Tag des offenen Denkmals, er ist über die Jahrzehnte zu einer Art von volkskundlichem Inventar geworden und hat seinen festen Stamm interessierter Teilnehmer. 2018, als die Stadt Köln Austragungsort der zentralen Feierlichkeiten war, sind nach Angaben der deutschen Denkmalstiftung rund 8000 Denkmale in gut 2500 Städten und Gemeinden bundesweit geöffnet worden. Rund 3,5 Millionen Besucher haben sich historische Kirchen, Burgen, Mühlen oder Backhäuser angeguckt. Eine Erfolgsgeschichte und Zeichen eines gesunden gewachsenen Verantwortungsempfindens von Bürgern und Politikern, das nichts mehr mit der Modernisierungs- und Beseitigungswut der 60er- und 70er-Jahre zu tun hat, so scheint es.

Wenn Denkmale ein „Störfaktor“ sind

In die richtige Relation gesetzt, schrumpft das Ausmaß der Erfolge jedoch gewaltig. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 2018 existieren in Deutschland rund eine Million Denkmale, davon rund 630 000 Baudenkmale. Es sind also nicht einmal zwei Prozent aller Objekte, deren kommunale, kirchliche oder private Eigner bereit sind, sich am Tag des offenen Denkmals zu beteiligen. Allein in der Denkmalliste Baden-Württemberg sind nach Angaben der Landesdenkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart 96 000 Objekte der Bau- und Kunstdenkmalpflege und 82 000 archäologische Denkmale dokumentiert.

Stiftungschef Skudelny macht aus einer gewissen Unzufriedenheit denn auch wenig Hehl: „Da ist ein Prozess nicht richtig in Gang gekommen.“ Egal aus welcher Haustür in Deutschland man trete, in kürzester Zeit sei man von Denkmalen umfangen. „Wir missachten das viel zu sehr in der Bevölkerung.“ Oftmals würden sogar „Denkmale als ein Störfaktor empfunden“.

Als die ehrwürdige Voelter-Villa fiel

Bei der Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg wird über das Scheitern der Arbeit für den Denkmalschutz nicht Buch geführt. „Den dafür zuständigen unteren Denkmalschutzbehörden liegen dazu keine Zahlen vor“, heißt es auf Anfrage. Meist wird das Versagen von Schutzbemühungen nur dort bekannt, wo öffentlicher Protest aufflammt. So wie 2016 in Friedrichshafen, einer der im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Städte mit wahrlich wenig erhaltener historischer Bausubstanz. Dort wurde das 1830 erbaute „Hotel Schöllhorn“ abgerissen. Ein Investor, der Eigentumswohnungen, teilweise mit Sicht auf den Bodensee, zu bauen beabsichtige, hatte eine Baugenehmigung der Stadt erlangt. Als das publik wurde, protestierte ein Historiker, schaffte es, das Gebäude im Eilverfahren vom Land zum Denkmal erklären zu lassen. Doch es war zu spät. Und seltsam: Das historische Gebäude war in Jahrzehnten zuvor nie von den Landesdenkmalschützern als schützenswert erfasst worden.

Oder die Villa des Heidenheimer Papierfabrikanten Heinrich Voelter, Ahnherr des Papiermaschinenherstellers Voith: das Prachtgebäude mit 36 000-Quadratmeter-Grundstück, das zuletzt ein Jugendhaus beherbergte, wurde 2012, obwohl als Kulturdenkmal anerkannt, zugunsten neuer Wohnungen abgerissen. Es habe sich kein Investor für die Erhaltung gefunden, hieß es aus dem Heidenheimer Rathaus. Das Regierungspräsidium Stuttgart genehmigte den Abbruch mit der Begründung, das Erhaltungsinteresse an dem Kulturdenkmal sei nicht höher zu bewerten als das Interesse der Stadt an einer Neubebauung des innenstadtnahen Areals. Es stimme, sagt Ursula Schirmer, die Leiterin der Abteilung Bewusstseinsbildung bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, „dass bei akuten Problemen wie der steigenden Wohnungsnot Aktivität auch gerne mit einer scheinbar schnellen Lösung demonstriert wird“. Kreative Lösungen für leere Altbestände gebe es zu wenig.

Land und Landesstiftung arbeiten zusammen

Im Vergleich der Bundesländer, sagt Schirmer auch, stehe Baden-Württemberg noch „gut da“. Aus dem Denkmalförderprogramm des Landes flossen 2018 knapp 19 Millionen Euro, 530 Förderanträge wurden bewilligt. Über die Denkmalstiftung Baden-Württemberg tut das Land aber noch mehr. Unter dem Ministerpräsidenten Lothar Späth (CDU) ist die Landesstiftung 1985 gegründet und mit einem Kapital von 26 Millionen Euro ausgestattet worden. Seit 2013 erhält die Stiftung zusätzlich Geld aus der Lotterie Glücksspirale.

Weil in den Zeiten der Nullzinsen kaum noch Erträge aus dem Stiftungskapital fließen, sind Spenden umso wichtiger geworden. Bisher sind laut Stiftung gut 1400 Maßnahmen im Südwesten mit knapp 60 Millionen Euro gefördert worden. Davon seien sieben Millionen Euro Spenden gewesen. Die von der Landesstiftung genannten Besitzverhältnisse der Denkmale dürften sich auf das große Ganze übertragen lassen: 42 Prozent sind in Privatbesitz, 25 Prozent entfallen auf Bürgerinitiativen und Fördervereine, 20 Prozent auf Kommunen und 13 Prozent auf Kirchen.

Hilft die Sehnsucht nach Identifikation?

Mit dem Tag des offenen Denkmals 2019 verbindet sich also stärker denn je die Hoffnung auf Privatspenden. Im Ulmer Rathaus sagte am Mittwoch der Präsident des Landesamts für Denkmalpflege, Claus Wolff: „In Zeiten, in denen alles, wie die Fußgängerzonen, austauschbar ist, suchen die Menschen nach Identifikation.“ Das könnten Denkmale leisten.

Der Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) sieht die Gesellschaft schon in einer „anderen Dimension“, was das Bewusstsein fürs kulturelle Erbe anbelangt. Verständlich für einen Rathauschef, der ein Münster, eine Hochschule für Gestaltung oder die Reste einer Bundesfestung touristisch bestens vermarkten kann.

Die Stadt Ulm hofft am 8. September auf eine große Bühne

Immer am zweiten Sonntag in September ist deutschlandweiter Tag des offenen Denkmals; in diesem Jahr also der 8. September. Ausrichterin ist die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Sie nennt diesen Tag „die größte Kulturveranstaltung Deutschlands“.

Die Uridee für eine nationenweite Kampagne zugunsten historischer Bausubstanz stammt von dem französischen Kulturminister Jack Lang. Er rief 1984 den „Journée portes ouvertes dans les monuments historiques“ ins Leben. 1991 griff der Europarat die Idee auf und rief die European Heritage Days aus. Den ersten Tag des offenen Denkmals gab es dann im Jahr 1993.

Erst einmal, nämlich im Jahr 2008, ist mit Esslingen eine baden-württembergische Stadt Zentralort des Tags des offenen Denkmals gewesen. Ulm folgt jetzt nach. Interessierte Städte müssen sich bei der veranstaltenden Stiftung bewerben. Schirmherr ist der jeweilige Bundespräsident. Am ganztätigen Eröffnungsprogramm wird noch gefeilt. Fest steht, dass es eine Hauptbühne mit ständigem Programm geben wird, außerdem ein klassisches Abendkonzert, dessen Erlöse in die Denkmalarbeit fließen.

Wie viele Besitzer von Denkmalen bereit sind, Publikum einzulassen, wird sich ab Ende Februar zeigen. Von da an bis zum 31. Mai, dem Anmeldeschluss, können Eigentümer sich via Internet unter www.tag-des-offenen-denkmals.de anmelden.

Die Denkmalschutzstiftung unterstützt Teilnehmer mit Werbematerial und einer Nennung im Internet. Unter anderem soll es in diesem Jahr auch wieder eine App zum Tag des offenen Denkmals geben. Besucher sollen keinen Eintritt zahlen müssen, Macher und Besitzer aber einen „nachhaltigen Motivationsschub“ erleben.