Wenn Bäume gefällt werden, dann kochen die Emotionen hoch. Warum eigentlich? Drei aktuelle Beispiele aus Renningen, Münklingen und Hausen.

Weil der Stadt - Entsetzt sei er neulich gewesen, berichtet Ralph-Uwe Sperrhake. Entlang der Straße, am Ortsausgang seines Wohnorts Münklingen, waren sämtliche Bäume und das Gebüsch platt gemacht, per Rasenmähermethode im großen Stil. Einen „Kahlschlag“ nennt Sperrhake das. „Vorher war es dicht bewachsen, gut für Vögel und Insekten – und auch ein Lärmschutz zum Neubaugebiet“, sagt er. „In Zeiten des Rückgangs der Vögel und Insekten, muss das denn wirklich sein?“

 

Mit seinem Ärger ist Ralph-Uwe Sperrhake nicht allein. In Hausen empört sich Albert Kiessling über Baumfällaktionen entlang der dortigen Ortsausfahrt Richtung Heimsheim. „Da werden Steuergelder völlig sinnlos verbraten“, sagt er. „Den Anwohnern wird der Lärmschutz und den heimischen Vögeln sämtliche Rückzugsräume und Brutmöglichkeiten genommen, ohne dass ein irgendwie gearteter Nutzen erkennbar ist.“

„Das wird sehr emotional diskutiert“

Ist das so? Wenn Bäume fallen, dann kochen die Emotionen hoch. Das wissen nicht nur die Bauherren von Stuttgart 21, das bekommen auch Stadtverwaltungen hier vor Ort zu spüren. „Das wird sehr emotional diskutiert“, berichtet Susanne Widmaier, die als Beigeordnete in Weil der Stadt auch für den Bauhof zuständig ist. „Der Baum ist ein enger Begleiter des Menschen.“ Ihre Devise daher lautet: Sie will, dass die Stadt die Bürger über die Maßnahmen im Vorfeld informiert. „Wenn es dann heißt, die Bäume sind kaputt oder der Verkehr gefährdet, dann können die Menschen das nachvollziehen“, ist Widmaier überzeugt.

Verkehrssicherheit ist auch in den genannten Fällen in Münklingen und Hausen das Stichwort. „Die Sträucher in Münklingen haben wir nicht entfernt, nur zurückgeschnitten“, sagt Dennis Ritter, der Pressesprecher des Landratsamts. Bei den Bäumen habe man nur diejenigen entfernt, die faul sind. Auch der Weil der Städter Bauhof war in Münklingen am Werk, vier Weiden und zwei Pappeln hat er zuletzt gefällt. Die Bäume waren verfault, berichtet der Bauhofleiter Ralf Wöschler: „Der Standort ist feucht, dazu kommt Hunde-Urin – und das hat Pilz, wie den Lackporling oder den Hallimasch wachsen lassen.“ In Hausen sei der Straßenverkehr durch die dortigen Eschen gefährdet gewesen. Eschen wachsen sehr schnell und sind daher unstabil. „Probleme hinsichtlich der Standsicherheit wären somit vorhersehbar gewesen“, sagt Wöschler. „Um die Verkehrssicherheit entlang der Straße auch künftig sicherzustellen, bedarf es ein regelmäßiges komplettes Zurückschneiden des Wildwuchses.“ Dass damit auch ein natürlicher Lärmschutz verloren geht, das weist der Bauhofleiter zurück. „Der Schallschutz von Pflanzen wird meist überschätzt“, erklärt er. „Und in diesem Fall trägt die Böschung wesentlich mehr zur Lärmreduzierung bei.“

Bäume begleiten durchs Leben

Bäume begleiten durchs Leben, verändern sich je nach Jahreszeit und bilden dennoch bleibende Konstanten. Das merkt auch Udo Schäfer immer wieder. „Wenn irgendwo ein Baum fällt, dann werden auch wir zum Teil massiv angegangen“, berichtet der Nabu-Ortsvorsitzende in Renningen. „Die Leute wollen wissen, warum wir nichts gegen die Fällungen unternehmen.“ Dabei tut er das. Regelmäßig ist Schäfer mit dem Renninger Förster und der Stadtverwaltung in Kontakt, und das zahlt sich aus. „Die Stadtverwaltung ist sehr sensibel geworden“, hat der Nabu-Vorsitzende festgestellt. „Und ich möchte nicht sagen, dass wir daran ganz unschuldig sind.“

Zwar sind auch in Renningen in jüngster Zeit einige Bäume gefallen. Entlang der Bundesstraße 295 musste sie roden, um Platz für einen geplanten Lärmschutzwall zu schaffen. Und in der Hauptstraße in der Innenstadt sind 15 Bäume gefallen. „Die Bäume standen auf Gasleitungen“, nennt Pressesprecherin Marlies Delago den Grund. „Das ist nicht zulässig.“ Auch mit der Neuordnung der Straßenlaternen haben die Baumfällungen zu tun. „Nach Fertigstellung der Baumaßnahme pflanzen wir neue Bäume“, kündigt Delago an.

Denn was in der Diskussion meist untergeht: die Stadtverwaltungen fällen nicht nur Bäume, sie pflanzen auch nach. Und das ist eine durchaus kostspielige Angelegenheit, wie das Beispiel in der Renninger Innenstadt zeigt: Sieben neue Bäume sind hier geplant, 42 000 Euro gibt die Stadt hierfür insgesamt aus, für die Bäume selbst, für Begrenzungen, Schutzgitter und die Bewässerung.

Das ist der andere Teil der Arbeit, auch für den Weiler Bauhofleiter. „Natürlich wissen wir, wie sensibel die Leute auf Baumfällungen reagieren“, sagt Ralf Wöschler. Regelmäßig schaltet er externe Gutachter ein, die zum Beispiel die alten Bäume auf dem Viehmarktplatz auf Standsicherheit überprüfen. „Da wird nicht einfach die Säge geholt“, betont Wöschler. Auch viele Neupflanzungen stehen in diesem Frühjahr auf seiner Agenda. In der Bahnhofstraße will die Stadt die maroden Bäume durch Kugelkirschen ersetzen, der Friedhof bekommt acht große Säuleneiben, im Sägeweg plant die Stadt fünf Obstbäume und der Merklinger Kindergarten Farbklecks bekommt zwei Hainbuchen.

Dennoch, dass auch wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle spielen, verhehlt Dennis Ritter vom Landratsamt Böblingen nicht. „Wir betreuen 560 Kilometer Straßen“, sagt er. „Da gebietet es die Kapazität, dass wir in größeren Abständen unterwegs sind.“ Für den Laien sehe das dann immer etwas radikal aus. Demnächst ist die Kreisstraße bei Warmbronn und der Abschnitt zwischen Schönaich und Steinenbronn dran. Und schließlich wachsen die Bäume und Sträucher ja auch, betont der Pressesprecher. „In zwei bis drei Jahren sieht es in Münklingen wieder so aus, wie vorher.“