Der im Zuge der Arbeiten für Stuttgarter 21 am Bahnhof Feuerbach gepflanzte Ersatzbaum ist abgestorben. Ein kleinerer Baum soll nun stattdessen gepflanzt werden.

Stuttgart-Feuerbach - Die Chronologie dieses Trauerweidenspiels begann in den ganz frühen Morgenstunden des 3. Dezember 2015. Trotz eisiger Temperaturen in dieser Nacht stieg Karl Braig auf den alten Baum mit dem ausladenden Geäst und der riesigen Krone nahe der inzwischen zugeschütteten Fußgänger-Unterführung beim Bahnhofsgebäude Feuerbach. Als früh an diesem Morgen Arbeiter einer Spezialfirma, die mit der Fällung der Weide beauftragt worden waren, mit ihren Fahrzeugen vor Ort auftauchten, saß Baumschützer Braig längst auf einem der dickeren Äste und hatte sich dort mit Seilen gesichert, um die imposante Trauerweide vor ihrem nahenden Ende zu schützen.

 

Der Kran war nur selten in Bewegung zu sehen

Gegen 10 Uhr wurde er trotz des lautstarken Protestes der „Initiative Feuerbach für K 21“ nach mehrmaliger Aufforderung, den Baum zu verlassen, von Kräften eines Spezialeinsatzkommandos heruntergeholt. Die Aktion ging trotz der aufgeheizten Stimmung völlig gewaltfrei über die Bühne. Dann wurden die Motorsägen angeworfen.

Bei den Gegnern des Stuttgart-21-Projektes waren damals die Wut und Trauer groß über die von einem sechzigköpfigen Polizeiaufgebot gesicherte Rodungsaktion. Die Bahn hatte zuvor argumentiert, der Platz, an dem die Weide stehe, werde als Baustelleneinrichtungsfläche benötigt: Dort wurde später einer von vier Hochbaukränen aufgestellt, mit denen Material auf dem rund 450 Meter langen Baufeld am Bahnhof Feuerbach für den Stuttgart-21-Umbau bewegt werden sollte. Inzwischen stehen am einstigen Standort der Trauerweide mehrere übereinander gestapelte Baucontainer und eine große Betonmischmaschine. „Der Kran, der am Platz der ehemaligen, mächtigen Trauerweide aufgestellt wurde, war nur selten in Bewegung zu sehen. Und als er einmal Material transportiert hat, wurde die Oberleitung der U-Bahn beschädigt“, erinnert sich der Feuerbacher Bezirksbeirat Roland Saur. Für das Mitglied von „Die Fraktion“ ist das neuerliche Kapitel, das sich an diese Geschichte nun anschließt, eine Fortsetzung dieses „Trauer(weiden)spiels“, findet er.

Der Baum wurde aus Bremen nach Stuttgart transportiert

Die Bahn hatte damals bei der Fällung des alten Baums als Ausgleich und PR-Maßnahme angeboten, an anderer Stelle eine neue Trauerweide zu pflanzen. Diese wurde im Frühjahr 2016 in die Erde gesetzt. Und zwar keine 100 Meter vom alten Standort in der neu angelegten Spiel- und Grünanlage nahe der Kindertagesstätte an der Stuttgarter Straße 3. Sie wuchs auch an. Aber inzwischen sei der vor etwa fünf Jahren gepflanzte Baum kaputt gegangen, berichtete Bezirksvorsteherin Andrea Klöber in der vergangenen Sitzung des Bezirksbeirats. Woran, das werde nun untersucht.

Roland Saur erinnert sich: „Soweit ich weiß wurde dieser Baum damals extra aus Bremen nach Stuttgart transportiert. Dann wurde er vor einiger Zeit geköpft und jetzt soll dieser Baum nach Aussage des Friedhofsamtes ganz beseitigt werden. Ein kleinerer Baum soll stattdessen gepflanzt werden.“ Diesmal dürfte allerdings die Fällung des bereits gekappten Baumes erheblich geräuschärmer vonstatten gehen.

Anzeige gegen die Bahn wurde fallen gelassen

Übrigens erstatteten damals nach der Fällung der großen Trauerweide zwei Mitglieder der „Initiative Feuerbach für K 21“ bei der Polizei Strafanzeige gegen die Deutsche Bahn und die DB Projektgruppe Stuttgart–Ulm wegen „gemeinschädlicher Sachbeschädigung“. Nach ihrer Ansicht hätte es auf der anderen Seite des Bahnhofs auf einer Baustellen-Fläche an der Siemensstraße einen Alternativstandort für den Kran gegeben. Die Anzeige gegen die Bahn wurde aber von der Staatsanwaltschaft bereits Anfang 2016 fallen gelassen.

Umgekehrt wurde Baumschützer Karl Braig mit 100 Euro Bußgeld für seine Aktion belegt. Eine Verwaltungsrichterin bestätigt im Rahmen einer Verhandlung die Geldbuße. Die Begründung: Die Äußerung der Meinungsfreiheit habe dort ihre Grenzen, wo die öffentliche Ordnung gestört und gefährdet werde. Braig stellte damals vor Gericht die Gegenfrage: „Welche Ordnung könnte denn da gefährdet sein? Die Ordnung, dass alles so weiterläuft wie bisher – dann wird das Demonstrationsrecht aber falsch gedeutet.“