Für das Neubauprojekt in der Hauptstraße in Hemmingen wird an diesem Mittwoch der Grundstein gelegt. Derweil hagelt es im sozialen Netzwerk Facebook Kritik: Nutzer sind fassungslos angesichts der Kaufpreise für die altersgerechten Wohnungen.

Hemmingen - Eine Drei-Zimmer-Wohnung mit gut 75 Quadratmeter Fläche für fast eine halbe Million Euro: Das Kaufangebot der Wohnungsbaugesellschaft Bietigheimer Wohnbau im Immobilienportal Immobilienscout24 im Internet erhitzt die Gemüter. In der Gruppe Hemmingen im sozialen Netzwerk Facebook machen die Nutzer ihrem Ärger Luft. „Welcher ältere Mensch kann sich das denn leisten?“, fragt eine Nutzerin, da bleibe sie lieber in ihrer gewohnten Umgebung, solange es geht, und lasse sich zuhause versorgen, das koste lange nicht so viel. Eine andere meint: „So teuer kann altersgerechtes Wohnen beim Bau gar nicht sein.“

 

Entwicklung werde mit Sorge beobachtet

Der Stein des Anstoßes ist eine von 21 barrierefreie Wohnungen für Senioren, die im Ortskern von Hemmingen entstehen. Zwischen einem und drei Zimmer haben sie. An diesem Mittwoch ist die Grundsteinlegung (Hauptstraße 24, 16 Uhr). Zwei Neubauten ersetzen künftig das Gebäude der Volksbank Ludwigsburg im Dreieck Hauptstraße, Eisgasse und Kronenstraße. Es ist schon abgerissen. In den miteinander verbundenen Häusern wird zudem die neue Geschäftsstelle der Bank unterkommen sowie eine Einrichtung der Tagespflege für Ältere. In 2021 sollen die ersten Bewohner einziehen. Der Bauträger ist die Bietigheimer Wohnbau. Sie kaufte der Volksbank das 2000 Quadratmeter große Grundstück Ende 2016 ab – und würde günstiger bauen, wäre das wirtschaftlich möglich.

„Das Problem sind die steigenden Grundstücks- und Baupreise“, sagt der Geschäftsführer Carsten Schüler. Auch sein Unternehmen beobachte die Entwicklung mit Sorge. „Wir stellen uns ebenfalls die Frage, wer sich Wohnen noch leisten kann“, sagt Carsten Schüler. Gleichwohl seien es ausschließlich Fremdkosten, die die Immobilienpreise in die Höhe treiben. Hinzu komme, dass die Kosten umso mehr steigen, je kleiner die Wohnungen sind: So seien mehr sanitäre Anlagen nötig, und Badezimmer kosten viel Geld.

Wer sein Haus gegen eine Wohnung austauscht, habe Vorteile

Für Schüler spricht einiges dafür, sich im Alter zu verkleinern, sprich sein Haus für eine „seiner“ Wohnungen zu verkaufen – zumal die kleinste Zwei-Zimmer-Wohnung mit 270 000 Euro bezahlbarer sei. Man müsse weniger Fläche putzen, und die Wohnungen lägen zentral. „Und bei Bedarf kann man Betreuungsleistungen abschließen.“ Die ersten Wohnungen seien bereits „fest reserviert“.

Die 21 Wohnungen sind eine Form des betreuten Wohnens. Wer in Hemmingen einzieht, muss einen sogenannten Rahmenbetreuungsvertrag mit der Kleeblatt Pflegeheime unterschreiben, die 150 Meter weiter ein Pflegeheim betreibt. Jeder Bewohner zahlt monatlich eine Grundpauschale von rund 100 Euro. Sie beinhaltet zum Beispiel den Notrufknopf, Beratungsgespräche, Besuchsdienste. „Pflegerische beziehungsweise hauswirtschaftliche Hilfen oder Serviceleistungen, sogenannte Wahlleistungen, können über Kleeblatt bezogen werden, müssen aber nicht“, sagt die Assistentin der Geschäftsführung, Charlotte Kosicki.

Bedarf vorerst gedeckt

Darüber hinaus richtet Kleeblatt 15 Plätze in der Tagespflege ein. Hierbei wird der Pflegebedürftige am Morgen abgeholt, um den Tag mit anderen Senioren zu verbringen. Am Abend wird er zurück in die eigenen vier Wände gebracht. Tagespflege gibt es dann erstmals in Hemmingen. „Aktuell gehen wir davon aus, dass damit im Ort der Bedarf längerfristig ausreichend gedeckt ist“, sagt Kosicki. Die Gemeinde beteiligt sich mit einer halben Million Euro an der Tagespflege. Sie übernimmt einen Grundstücksanteil und ein Drittel der Baukosten.

Angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung hält der Bürgermeister das Angebot der Tagespflege für einen „wichtigen Baustein“. Man müsse den Menschen dahingehend etwas bieten, sagt Thomas Schäfer (CDU).

Im Alter in den eigenen vier Wänden bleiben – aber mit Hilfe

Entlastung
Im Kreis Ludwigsburg leben Dreiviertel aller Menschen, die Unterstützung benötigen, zuhause. Die Tagespflege soll die Versorgungslücke schließen zwischen ambulanten und stationären Pflegeangeboten. Pflegebedürftige, die daheim wohnen, werden hier tageweise versorgt. Grundsätzlich nicht aufgenommen werden bettlägerige Menschen und Personen, die an besonders schweren psychischen Störungen leiden.

Bedarf Kreisweit wurden im Vorjahr 259 Plätze gezählt, dieses Jahr soll das Angebot auf 397 ausgebaut werden. Und der Bedarf steigt weiter: Der Kreispflegeplan, der im Mai verabschiedet worden ist, geht bis zum Jahr 2025 von 450 Tagespflegeplätzen aus. Laut dem Landkreis Ludwigsburg besteht „Handlungsbedarf für einen Ausbau“ in Freiberg/Neckar, Kornwestheim, Ludwigsburg, Tamm und Vaihingen/Enz.