Eine klimaneutrale Siedlung mit wenig Autos und viel Holz: Da rümpfen die Liberalen im Gemeinderat die Nase. Die Stadtverwaltung und die Mehrheit im Gemeinderat wollen auf dem Killesberg diesmal aber ein bisschen anders bauen als sonst.

Stuttgart - Auf dem früheren Messe-Parkplatz Rote Wand auf dem Killesberg sollen von Frühjahr 2019 an knapp 120 dringend benötigte Wohnungen gebaut werden, vier Stadträte wollten das Projekt jetzt aber trotzdem nicht zügig durchwinken.

 

Die drei Mitglieder der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus im Wirtschaftsausschuss lehnten den Grundstücksverkauf ab und meinten, die Stadt solle das Gelände in Erbpacht weggeben, damit sie 99 Jahre später wieder darauf zurückgreifen könnte. Und der FDP-Stadtrat Michael Conz enthielt sich der Stimme, weil es nach seinem Geschmack hier einmal zu viele geförderte Wohnungen und zu wenig Parkplätze geben wird. Die Mehrheit im Ausschuss hieß aber die Grundsatzvorlage der Verwaltung für gut. Daher spricht viel dafür, dass der Gemeinderat das Projekt am 12. Oktober durchwinken wird.

118 Wohneinheiten in Häuserzeile und Wolkenhäusern

Es ist ein Novum. Das neue Wohngebiet soll nicht nur autoarm sein, sondern auch klima- und kohlendioxidneutral. Als Baustoff sind Holz oder andere nachwachsende Rohstoffe vorgesehen. Treppenhäuser allerdings müssen üblicherweise zur Sicherung von Fluchtwegen betoniert oder gemauert sein. Für die Errichtung und den Betrieb der gemeinsamen Energiezentrale sind die Stadtwerke Stuttgart vorgesehen, und die Energie wird mittels Blockheizkraftwerk und Geothermie-Wärmepumpe bereitgestellt. Energiesparende Bautechnik und Fotovoltaikelemente an geeigneten Wänden und Dächern werden, so der Plan, die Gebäude zu sogenannten Plusenergiehäusern machen. Sie sollen also mehr Energie produzieren als verbrauchen.

Das Konzept sieht 118 Wohneinheiten vor, die zum einen in einem langgestrecken Gebäudekomplex entlang der Straße Am Kochenhof entstehen und als „Minimalhäuser“ betitelt sind, zum anderen in fünf Gebäuden mit „amorphen Baustrukturen“. Sie werden wegen ihrer Form und ihrer Formation „Wolkenhäuser“ genannt und sind in zweiter Baureihe hinter der Häuserzeile vorgesehen. 33 Einheiten werden für private Baugemeinschaften vorgesehen, 54 Prozent aller Wohnungen sollen öffentlich gefördert sein, 40 Prozent der erzielbaren Wohnfläche auf Sozialwohnungen entfallen.

Silvia Fischer (Grüne) sprach von einem „tollen Projekt“. So etwa stellten sich die Grünen zeitgemäße Baugebiete vor. Hans H. Pfeifer (SPD) lobte, hier sei „ein gutes Pendant zur Killesberghöhe“ geplant.

Bürgermeister nennt Ideal von SÖS/Linke-plus einen „Humbug“

Kontrovers wurde das Ansinnen von SÖS/Linke-plus diskutiert, nicht nur Baugemeinschaften Erbpachtgrundstücke anzubieten, sondern so ein Gebiet komplett in dieser Art zu vergeben. Man solle bitte schön nicht „den Ausverkauf der Stadt“ fortsetzen, mahnte Hannes Rockenbauch (SÖS). Grünen-Stadträtin Fischer widersprach. Nach 99 Jahren müsste die Stadt dann Häuser mit Geldbeträgen ablösen. Das Modell würde zur Belastung späterer Generationen. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) nannte die Annahme, dass die Stadt nach 99 Jahren großen Gestaltungsspielraum und das Sagen hätte, schlicht „einen Humbug“.