Es geht um Respekt, Wertschätzung – und Geld: Weil die Beachvolleyballerinnen Karla Borger und Margareta Kozuch nicht in Hamburg trainieren wollen, weigert sich der Verband, das ambitionierte Projekt zu unterstützen.

Stuttgart/Teneriffa - Karla Borger ist eine Beachvolleyballerin, die in ihrer Karriere noch nicht viel in den Sand gesetzt hat. Ganz im Gegenteil. Mit Britta Büthe war sie Vizeweltmeisterin 2013 und schaffte den Sprung zu den Olympischen Spielen 2016 nach Rio de Janeiro. Nach dem Rücktritt ihrer Partnerin versucht die Stuttgarterin nun mit Margareta Kozuch einen Neuanfang. Bislang klappt das bestens, was so verwunderlich nicht ist: Borger (28) gilt als eine der besten Abwehrspielerinnen der Welt, Kozuch (30) ist zwar ein Neuling am Strand, aber sie war zuletzt die stärkste deutsche Hallenspielerin und Kapitänin des Nationalteams (336 Länderspiele). Das hört sich nach reichlich Potenzial an, und trotzdem glaubt der Deutsche Volleyball-Verband (DVV), dass hier zwei Sportlerinnen auf Sand bauen – worüber das Duo ziemlich enttäuscht ist: „Wir bekommen null Vertrauen entgegengebracht“, sagt Karla Borger, „wir vermissen den Respekt gegenüber uns als Personen und gegenüber den Leistungen, die wir schon gezeigt haben.“ Den Athletinnen geht es um Wertschätzung. Dem Verband ums Prinzip. Und beiden um Geld.

 

Die drei besten Frauen-Duos wollen nicht nach Hamburg

Der klamme DVV glaubt, ein optimales Fördersystem für die Zukunft entwickelt zu haben. In Hamburg gibt es mit acht Hallen- und zehn Außenplätzen die perfekte Infrastruktur, zudem beteiligen sich der Senat und der Hamburger SV an der Finanzierung von Trainerstellen. Der Verband versprach im Gegenzug, seine Topteams an die Alster zu holen – ohne damit zu rechnen, dass die drei besten Frauen-Duos diese Zentralisierung in Hamburg nicht wollen.

Die Olympiasiegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst, die in Hamburg wohnen, trainieren dort zwar am Olympiastützpunkt, aber mit Genehmigung des DVV außerhalb der Verbandsstrukturen. Chantal Laboureur (Stuttgart), die in Tübingen Medizin studiert, und Julia Sude (Friedrichshafen) haben eine Lösung mit eigenem Trainer- und Betreuerteam fernab von Hamburg beantragt, hier steht die Entscheidung noch aus. Das Konzept von Borger und Kozuch hat der Verband bereits abgelehnt – was die Athletinnen teuer zu stehen kommt. Finanziell. Und womöglich auch sportlich.

Klar ist: Nur Nationalteams erhalten vom Verband ein Reisekostenbudget und Zuschüsse zum Trainergehalt, können zudem bei Turnieren die Dienste von DVV-Physiotherapeuten und -Scouts in Anspruch nehmen. Insgesamt dürfte sich diese Unterstützung auf mindestens 25 000 Euro pro Saison summieren. Borger und Kozuch, die sich bislang komplett selbst finanzieren, wären bereit gewesen, Kompromisse einzugehen, Möglichkeiten auszuloten – nur einen kompletten Umzug nach Hamburg lehnten sie ab. „Das Angebot des Verbandes konnten wir allein schon aus wirtschaftlicher Sicht nicht annehmen. Wir mussten und haben uns eigenverantwortlich auf die Saison vorbereitet, uns eigene Strukturen aufgebaut. Unser Trainerteam mit Sebastian Mengegozzo und Sixto Jiminez ist auf Teneriffa, wo wir seit Januar unter Wettkampfbedingungen trainieren“, sagt Borger, „der Verband wollte von uns nur ein Ja oder Nein zu Hamburg hören. Doch letztlich geht es um unsere Leistung, unsere Körper, unsere Existenzen. Deshalb ist die Art und Weise, wie mit uns umgegangen wird, nicht korrekt.“

Dazu gehört laut Borger auch, dass dem Duo – noch bevor sich Kozuch im Herbst entschieden hat, von der Halle in den Sand zu wechseln – vom Verband die Zusage vorlag, es auf jeden Fall zu fördern. „Wo ist da die nötige Professionalität?“, fragen die beiden Beachvolleyballerinnen, denen der Verband allerdings noch weitere Stolpersteine in den Sand legen könnte.

Wer darf bei welchem Turnier starten?

Denn der Status Nationalteam wirkt sich nicht nur finanziell aus, sondern kann auch eine wichtige Eintrittskarte zu den großen Turnieren sein. Nach Auskunft des DVV hat der neue Chefbundestrainer Morph Bowes (der Freund von Olympiasiegerin Ludwig) das Recht, seine National- und Anschluss-Duos für Wettbewerbe zu nominieren – was angesichts der bestehenden Länderquoten bei Turnieren die Startmöglichkeiten für Nicht-Nationalteams automatisch beschränkt. Wie sich das für Borger und Kozuch auswirkt? Ist aktuell nicht absehbar. „Wir wissen nicht, wie weit der Verband noch gehen wird“, sagt das Duo, das sich als Fernziel die Olympischen Spiele 2020 in Tokio gesetzt hat, „wir sind auf jeden Fall der Meinung, dass die Besten spielen sollten.“

Das könnte der Verband anders sehen, zumal er sich zum Konzept von Borger und Kozuch kritisch äußert. Der für den Beachvolleyball zuständige Vizepräsident Andreas Künkler verweigerte zwar erneut ein Interview, teilte aber schriftlich mit: „Die Qualität des sportlichen Umfeldes (Trainer und deren Verfügbarkeit), die infrastrukturellen Rahmenbedingungen (kein fixer Standort in Deutschland mit Optimalbetreuung für Leistungsdiagnostik, Krafttraining, Physiotherapie) und das Training in wechselnden Umfeldern in Europa sprechen nicht für ein qualitativ hochwertiges Konstrukt.“

Ein Glattstrich für Borger und Kozuch, den die ambitionierten Athletinnen nicht verstehen können. „Der Verband hat doch keinerlei Einblick in das, was wir genau machen“, sagen sie – und wissen jetzt erst recht, was sie zu tun haben: erfolgreich sein. Und Spuren im Sand hinterlassen, an denen auch der DVV nicht vorbeikommt.