Er ist einer der wichtigsten Modedesigner Deutschlands. Und er ist umstritten. Michael Michalsky weiß, dass er polarisiert, lebt jedoch ganz gut damit. Die StZ-Autorin Sarah J. Tschernigow ist ihm begegnet.

Berlin - Zweimal im Jahr gibt es eine Zeit, in der Michael Michalskys Handy nahezu im Minutentakt klingelt, sein Computer ständig piept, weil wieder eine E-Mail eingegangen ist und Assistenten hektisch aus seinem Büro heraus- und wieder hineinlaufen. Sie fragen nach einer Lieferung, danach, wo dieses und jenes hinsoll, ob er Termin X bestätigen kann. Wenn es in der Michalsky Holding GmbH zugeht wie im Ameisenhaufen und sich der Modedesigner nur noch mit einem „Machst du bitte die Tür zu“ retten kann, dann steht die nächste Style Nite an. Ein Pflichttermin für Modefans und die deutsche Promiriege, bei dem Michalsky seine neue Kollektion präsentiert. Eine „Sehen und gesehen werden“-Veranstaltung mit rotem Teppich und jeder Menge Champagner.

 

Michalsky entschuldigt sich, dass ständig etwas piept, aber er sei so busy. „Wissen Sie, was für mich der größte Luxus ist? Zeit mit meinen Freunden zu verbringen. Davon habe ich immer zu wenig.“ Der 44-Jährige wirkt etwas gestresst, aber als Medien- und Marketingprofi nimmt er sich immer Zeit für Journalisten. Der Mann ist bekannt für seine pompös inszenierten, ja fast schon protzigen Modeschauen. Seine Style Nites brauchen nirgendwo offiziell angekündigt zu werden, das Publikum weiß Bescheid. Gern lässt er sich mit seinen Freunden und Fans Barbara Becker, den Ochsenknechts oder Herbert Grönemeyer fotografieren. Die PR ist ihm sicher. Michalsky ist ein Verkaufsgenie. „Ich finde nicht, dass das mit gutem Geschäftssinn zu tun hat“, kontert er. „Dafür sind diese Abende viel zu teuer. Es ist meine Art, mich bei der Michalsky-Family und den Einkäufern zu bedanken.“

Seine Goody-Bags sind unübertroffen

Und Michalsky bedankt sich mit fast schon verschwenderischer Großzügigkeit. Seine Schauen, oder wie er sagt „Kulturevents für die Sinne“ werden von musikalischen Live-Acts und feinstem Kaviar eingerahmt. Und die Goodie-Bag, das Geschenk des Hauses, das jeder seiner 1200 Gäste zur Verabschiedung in die Hand gedrückt bekommt, fällt wohl bei keinem anderen deutschen Designer so gigantisch aus wie bei Michalsky: hochwertige Haarprodukte, Kosmetik, prall gefüllte Kulturbeutel, dazu Modezeitschriften und Rabattcoupons für seine Boutiquen.

Kritiker meinen, dass es bei Michalsky längst nicht mehr um Mode geht. Den Designer lässt das kalt. Er sagt dazu nüchtern: „Menschen, die so denken, haben den Abend nicht verstanden. Ohne die Mode würden keine VIPs kommen und sich so stylen. Es gibt in Deutschland leider viel zu wenige gesellschaftliche Events, für die sich die Besucher richtig schick machen.“

Geschäft, Marketing, harte Arbeit

Michalsky weiß, dass er polarisiert. Aber wenn er neben dem Entwerfen von Mode eines richtig gut kann, dann ist es nun mal, sich und sein Label zu vermarkten. Geschäft, Marketing, harte Arbeit – das sind Worte, die im Gespräch öfter vorkommen. „Luxus“, sagt er, „hat nicht unbedingt mit Geld zu tun. Es kann auch ein Gefühl oder ein Moment sein. Es ist etwas Limitiertes.“ Der Designer hat lange daran gearbeitet, um selber einzigartig zu sein, „limitiert“ im Sinn von exklusiv. Seine Holding mit verglastem Büro in Berlins nobler Mitte, seine Boutiquen – „es war ein langer Weg bis dorthin“, sagt Michalsky. Sein eigenes Label hat er erst 2005 gegründet, da war der gebürtige Göttinger schon Ende dreißig.

Lange davor, nach dem Abitur, ging Michalsky nach London an das College of Fashion, studierte Mode in Kombination mit BWL. Früh erkannte er, dass zu seinem Traum von einem Leben als Modedesigner mehr gehört, als nur ein talentierter Künstler mit guten Ideen zu sein. Und so war die nächste Station Levi Strauss und Co., wo Michalsky zwei Jahre als Designmanager von der Pike auf alle Produktionsabläufe kennenlernte. Es folgten elf Jahre als Creative Director beim Sporthersteller Adidas, gemeinsam mit den namhaften Modemachern Yohji Yamamoto und Stella McCartney. „Es ist nicht so, dass ich aufgewacht bin, plötzlich ein Loft mit 25 Mitarbeitern hatte und zweimal im Jahr eine Kollektion auf die Beine gestellt habe.“

Ohne Partner geht nichts

Mode ist ein saisonales Geschäft, bei dem alles über Vorfinanzierung läuft. Allein die Herstellungskosten einer Kollektion der Michalsky-Größenordnung dürften bei einer Viertelmillion liegen. „Ohne Geld geht gar nichts“, sagt Michalsky und betont, dass er sich vor allem als Unternehmer versteht. „Du brauchst gerade am Anfang gute Partner.“ Er selbst hat in seiner Laufbahn mit Tchibo, DHL, Sony und Ariel zusammengearbeitet und seiner Karriere auf die Sprünge geholfen. Böse Zungen meinen, Michalsky sei auf jeden Zug aufgesprungen, hätte sich an Marken mit Geld gekrallt, bis er selber ein Vermögen hatte und in Luxus schwelgte. „Ich freue mich. Alle meine Freunde und Sponsoren sind heute Abend gekommen.“ Das ist so ein typischer Michalsky. Und sagen wir so: Mehr Marke und Ruhm kann ein Modedesigner hierzulande wirklich kaum vereinen.

Aber Michalsky ist mehr als ein Darsteller im Luxussegment. Das wird dann deutlich, wenn er von der Schönheit eines Kleidungsstückes spricht, von der Einzigartigkeit einer Kollektion, die er übrigens auch als Luxus bezeichnet. Dann beginnen sich seine Gesichtszüge zu entspannen und seine Augen zu funkeln. Dann wird die Leidenschaft sichtbar, die zeigt, dass der Modemacher nicht nur einen Beruf, sondern eine Berufung gefunden hat. „Ich bin wissbegierig und will dazulernen“, sagt er, und man glaubt es ihm. „Ich bin noch ganz am Anfang.“ Moment. Am Anfang? Was soll noch kommen? Klare Antwort: Der Modeschöpfer will aus seinem Label Lifestyle machen. Kürzlich hat er eine Sofa-Kollektion fertig gestellt, es folgen Besteck und irgendwann etwas für Kinder. „Ich bin ein Multitasking-Typ“, sagt er. „Ich könnte noch viel mehr machen.“ Es klingt wieder nach viel Geschäftssinn, viel Leidenschaft und wenig Zeit. Am Schluss bedankt Michalsky sich höflich, springt auf und hastet zu seinem Computer. Es gibt viel zu tun. „Tür zu, bitte.“