Man sollte immer aufpassen, mit wem man wann wo über wen redet. Besonders, wenn man in der Filmbranche Fuß fassen möchte. Aus dem Leben einer Filmstudentin.

53a. SEMINARRAUM/ FILMHOCHSCHULE    INNEN/ TAG

 

Einer der wichtigsten Produzenten Deutschlands gibt einen Tag lang Unterricht und gewährt einen kleinen Einblick in seinen Arbeitsalltag. Ich bin natürlich da, weil ich diesem wichtigen Produzenten mein neuestes Werk anpreisen möchte. Irgendwann muss es ja auch mal mit meiner Karriere klappen, denke ich mir. Mit den kleinen Produktionsfirmen hat es bisher einfach nicht sollen sein. Also, warum klein weitermachen? Think big und so.

Allerdings bin ich eher enttäuscht von diesem Menschen. Er ist null vorbereitet und erzählt Anekdoten aus den 80ern anstatt uns etwas beizubringen. Dazu wirkt er irgendwie abwesend. Ich höre irgendwann nur noch mit einem halben Ohr zu. Als sein Handy klingelt, verlässt er den Raum und telefoniert erst mal ne halbe Stunde. Als er sich wieder zu uns bequemt, berichtet er von einem "fetten Deal", darf aber nicht verraten, worum es geht. Er grinst selbstgefällig. Dann ist Pause.

53b. KANTINE/ FILMHOCHSCHULE   AUSSEN/ TAG

Ich sitze zusammen mit einer Kommilitonin auf der Terrasse unserer Kantine und esse zu Mittag. 

            SIE

     Gehst du nachher noch mal in den Unterricht?

Ich zucke mit den Schultern.

            ICH

      Weiß nicht. Also ich finde den Typen ziemlich anstrengend. 

           SIE

       Echt? Also ich finds eigentlich ganz spannend.

            ICH

       Na ja. Also die Anekdoten kann er sich fürs Kaffeekränzchen sparen. Und dann bleibt ja auch schon nicht mehr viel übrig. Große Klappe, nix dahinter. Manchmal frag ich mich echt,           wie es manche Leute so weit nach oben geschafft haben. 

In dem Moment dreht sich jemand, der hinter mir saß, zu uns um. Es ist der wichtige Produzent. Er hat eine Sonnenbrille auf und ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.

          PRODUZENT

      Tschuldigung, darf ich mir euren Salzstreuer ausborgen?

Ich reiche ihm das Salz. Er bedankt sich und dreht sich wieder um. Ich möchte gerne im Boden versinken und erst in China wieder rauskommen. Meine Kommilitonin sieht mich erschrocken an und deutet erst auf ihn, dann auf mich. 

          SIE (flüsternd)

     Ich hab ihn nicht erkannt. Sorry.

Ich schüttel den Kopf.

         ICH

      Mein Fehler.

Das hab ich mal wieder hervorragend hinbekommen.

Ich überlege, ob ich mir den zweiten Teil des Tages nicht tatsächlich spare und hoffe, dass er mein Gesicht so schnell wie möglich wieder vergisst. Die Anekdoten aus den 80ern waren allerdings sehr detailreich und er hat zwischendurch erklärt, wie wichtig es ist, sich Gesichter merken zu können...

Ich gehe dann aber doch noch mal hin. Ich will wissen, ob er mich wirklich gehört hat, sonst werde ich heute Nacht keine Auge zu tun können.

53c. SEMINARRAUM/ FILMHOCHSCHULE    INNEN/ TAG

Ich setze mich auf meinen Platz und hoffe, dass ich hinter meinen Mitstudenten etwas verschwinde. Der Produzent ist aufgestanden und tigert im Raum auf und ab.

            PRODUZENT

   Manche von euch fragen sich vielleicht, was es mit diesen ganzen Anekdoten so auf sich hat und dass sie davon nichts lernen können. Aber ich will euch hier nicht mit Fakten langweilen. Die könnt ihr selber nachlesen. Und wenn manche von euch heute morgen aufgepasst hätten, dann hätten sie auch gewusst, dass man immer aufpassen sollte, mit wem man wann über wen spricht. Auch bei einem "Kaffeekränzchen".

Er guckt in meine Richtung. Dann grinst er wieder ein wenig selbstgefällig und fährt mit dem Unterricht fort.

Mein Sitznachbar erklärt mir später, dass der Produzent am Morgen erzählt hatte, dass er als Anfänger einmal ganz schlimm über den neuen Film eines großen Regisseurs gelästert hatte. Der hat das mitbekommen. Und war dankbar dafür, dass endlich mal einer seine offene Meinung gesagt hat. Zusammen haben sie dann die erfolgreichsten Filme realisiert. 

Hm. Vielleicht wird mir das ja nun auch mit dem Produzenten passieren? Aber als ich ihm nach der Stunde mein Drehbuch in die Hand drücken will, sagt er, dass ich es lieber seiner Assistentin per Mail schicken soll.

Hab ich gemacht. Antwort kam keine.

Gelernt habe ich daraus, dass ich in Zukunft nicht mehr über andere Leute lästern werde.

Oder zumindest vorher checke, ob die betreffende Person nicht zufällig hinter mir sitzt.

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