Die Meldung über die Rückrufaktion für den Transporter Vito ist noch frisch, da droht schon das nächste Fiasko. Die Behörden suchen bei Mercedes-Modellen nach massenhaften Schadstoff-Tricksereien. Droht dem Konzern ein Image-Desaster?

Stuttgart/Berlin - Daimler hat möglicherweise in mehr Dieselfahrzeugen illegale Abschalteinrichtungen eingebaut als bisher bekannt. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, geht das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) dem Verdacht nach, dass in weiteren Mercedes-Modellen illegale Software in der Abgasreinigung zum Einsatz kommt. Nach einem Bericht des „Spiegel“ droht dem Stuttgarter Autobauer ein Massenrückruf von mehr als 600 000 Fahrzeugen. Das bestätigten weder das Bundesverkehrsministerium noch das Unternehmen.

 

Verkehrsminister Scheuer hatte die Flensburger Behörde angewiesen, weiteren Verdachtsfällen nachzugehen. „Ich erwarte, dass Mercedes seinen Kunden gegenüber Klarheit schafft“, sagte Scheuer. Der Stuttgarter Konzern hält sich bei diesem brisanten Thema jedoch sehr bedeckt. Kommunikationschef Jörg Howe sagte lediglich: „Es gibt nach unserem Kenntnisstand keine weitere amtliche Anhörung, die eine Vorstufe für einen Rückruf ist.“ Howe fügte aber hinzu, dass Daimler aber laufend in Gesprächen mit der Flensburger Behörde sei.

In der Politik wächst die Verärgerung

In der Bundesregierung wird der Vorgang als brisant eingestuft. Die Tragweite zeigt sich schon daran, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche am kommenden Montag einbestellt hat. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, dass Zetsche sein Kommen zugesagt habe. Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger (CDU) sagte unserer Zeitung, es wäre „sehr ärgerlich, wenn die Autohersteller nicht alles tun würden, um die Probleme beim Diesel in den Griff zu bekommen. „Insbesondere sollte es nicht so sein, dass immer erst durch Untersuchungen des Kraftfahrt-Bundesamts Missstände bekannt werden“, so Bilger.

Zuvor hatte das Kraftfahrt-Bundesamt Daimler zu einem Rückruf von weltweit 4900 Fahrzeugen des Transporters Mercedes-Benz Vito verpflichtet. Bei der Überprüfung des Vito seien „unzulässige Abschalteinrichtungen“ festgestellt worden, so die Behörde. Dadurch könne es zu erhöhten Stickoxid-Emissionen kommen.

„Robuste Abgasreinigung“

Daimler werden damit erstmals illegale Manipulationen nach dem Muster von VW vorgeworfen. Zugleich trifft der Vorwurf auch Renault, denn die Stuttgarter stellen diese kleinste Motorvariante des Vito nicht selbst her, sondern beziehen sie von ihrem französischen Partner. Daimler will den Rückruf zwar durchführen, jedoch Widerspruch einlegen und notfalls auch vor Gericht ziehen, um seine Rechtsauffassung durchzusetzen. Nach Darstellung von Daimler ist die vom Kraftfahrtbundesamt als unzulässig eingestufte Programmierung der Motorsteuerung erforderlich, um eine „robuste Abgasreinigung“ bei unterschiedlichen Fahrbedingungen und über die gesamte Nutzungsdauer des Transporters sicherzustellen.

Die Frage, welche Software für eine „robuste Abgasreinigung“ erforderlich ist, hatte schon in den vergangenen Jahren bereits bei anderen Modellen zu für kontroversen Diskussionen geführt. Auf Druck der Behörde holte Daimler dann ebenso wie andere Hersteller Autos in die Werkstätten. Dies wurde camouflierend als „freiwillige Servicemaßnahme“ deklariert. So hat Daimler ein Software-Update für den Transporter der V-Klasse sowie für mehrere kompakte Modelle wie die A-Klasse durchgeführt. Seit dem vergangenen Jahr werden zudem drei Millionen Mercedes-Diesel nachgebessert, um die Stickoxidemissionen zu verringern.