Am 19. April erscheint „Noch wach?“ von Benjamin Stuckrad-Barre – wie es heißt ein Schlüsselroman zur Metoo-Affäre um den früheren „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt. Einen ersten Scoop hat der Autor mit der Werbekampagne für das Buch schon gelandet.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Als der Verlag Kiepenheuer&Witsch das neue Buch von Benjamin Stuckrad-Barre Ende letzten Jahres in seiner Programmvorschau für den Frühling ankündigte, war darin noch ein weißes Cover zusehen, mit dem schlichten Vermerk: Neuer Roman. Inzwischen hat sich einiges konkretisiert, nicht nur das endgültige Erscheinungsdatum am 19. April, sondern auch, um was sich das neue Werk des Doyens der deutschen Popliteratur dreht. Dem vom Verlag streng gehüteten Geheimnis – die Fahnen sollen erst am Erscheinungstag an Kritiker und Kritikerinnen versandt werden – eilte schon früh das Gerücht voraus, es es ginge darin um die Verstrickungen des Springer-Chefs Mathias Döpfner in die Metoo-Affäre des früheren „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt. Mittlerweile steht der Titel fest: „Noch wach?“ – eine Frage, mit der Reichelt per Mail nachts jungen Kolleginnen nachgestellt haben soll.

 

Seit einigen Tagen peitscht Stuckrad-Barre auf seinem Instagram-Kanal das Gerücht zur Gewissheit voran. In bisher zwei aufeinanderfolgenden Videos hat er seinen prominenten Freundeskreis für eine Kampagne mobilisiert, mit der er zumindest unter Marketing-Gesichtspunkten schon einen ersten Scoop landen konnte. Rund 70 bekannte Leute aus Literatur, Musik, Theater, Medien, darunter Martin Suter, Kurt Krömer, Ronja von Rönne, Lena Meyer-Landrut, Joko Winterscheidt, Bill Kaulitz, Katja Riemann, sprechen etwas in die Kamera, bei dem es sich offenbar um Kapitelüberschriften handelt. Zunächst den Satz: „Dann müssen sich die Frauen auch nicht wundern“.

Nach ersten Verharmlosungen seitens der Springer-Führung, die so ähnlich klangen, musste Reichelt seinen Posten schließlich doch räumen. Auslöser waren Recherchen, über die auch die „New York Times“ berichtete, und die den Verdacht erhärteten, Reichelt habe seine Machtposition gegenüber Mitarbeiterinnen ausgenutzt. Schon zuvor hatte die Zeitung aus einer privaten Textnachricht Döpfners an Stuckrad-Barre zitiert. Darin bezeichnete er Reichelt wegen dessen Haltung zur Corona-Politik der Bundesregierung als den einzigen Journalisten in Deutschland, der noch mutig „gegen den neuen DDR Obrigkeits-Staat“ aufbegehre. Stuckrad-Barre soll die Freundschaft zu Döpfner wegen des Umgangs mit dem Fall Reichelt beendet haben. Nun folgt der Schlüsselroman.

Im nächsten Ankündigungs-Video ist in siebzigfacher Version von den prominenten Werbeträgern die Wendung „City of Stars“ zu hören, vermutlich das zweite Kapitel – Los Angeles, Harvey Weinstein und die Folgen. Stuckrad-Barre ist vermutlich der einzig Schriftsteller Deutschlands, dessen mediales Sendungsbewusstsein eine Adventskalender-artige Kampagne wie diese trägt. Am 19. April ist Bescherung. Zu den Stationen der eine Woche später in Bremen startenden Lesetour gehört am 4. Mai auch Stuttgart.