Der Ruf der europäischen Grenzschutzagentur Frontext ist nicht besonders gut. Die Agentur soll den EU-Staaten dabei helfen, illegale Migration abzuwehren. Nun hat der Europäische Rechnungshof einen Sonderbericht zu Frontex veröffentlicht – mit einem vernichtenden Urteil.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Um den Ruf der EU-Grenzschutztruppe Frontex stand es schon bisher nicht sonderlich gut. Der EU-Agentur mit Sitz in der polnischen Hauptstadt Warschau, die aber überwiegend an den Routen der illegalen Migration im Mittelmeer tätig ist, wurden rechtswidrige Zurückweisungen von Zuwanderern vorgeworfen. Frontex-Chef Fabrice Leggeri steht zudem in der Kritik, weil es angeblich Missmanagement und finanzielle Unregelmäßigkeiten gibt. Die EU-Betrugsbekämpfer (Olaf) führen Ermittlungen gegen Frontex. Nun kommt noch ein verheerender Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes hinzu.

 

Was wird Frontex vom Rechnungshof vorgeworfen?

Frontex, so das Urteil des Hofes, unterstütze die Mitgliedstaaten der EU zu wenig beim Schutz der Außengrenzen. Der EU-Küsten und -Grenzschutz leiste zu wenig, um die illegale Einwanderung und grenzüberschreitende Kriminalität zu stoppen. Bereits in der Vergangenheit sei die Agentur, die 2004 gegründet wurde, nicht in der Lage gewesen, die ihr gestellten Aufgaben zu erfüllen.

Frontex hat ein rasantes Wachstum hinter sich. 2006 betrug der Etat 19 Millionen Euro, 2020 standen 460 Millionen Euro zur Verfügung, 2027 sollen es bereits 900 Millionen Euro sein. Derzeit sind 600 Beamte für Frontex tätig, 2027 sollen es 10 000 sein – 3000 davon direkt bei Frontex angestellt, 7000 sollen von den 27 EU-Staaten aus deren eigenen Pool an Frontex ausgeliehen werden.

Normalerweise übt der Rechnungshof sehr dosiert Kritik. Da fällt umso mehr auf, wenn der Präsident der Luxemburger Behörde, Klaus-Heiner Lehne, den Bericht zu Frontex im Interview mit der FAZ einen „herausragenden Fall“ in seiner fünfjährigen Amtszeit nennt. Den Bericht verantwortet der Prüfer Leo Brincat, der von Malta an den Hof abgeordnet wurde. Brincat stellt fest: Schon der bisherige Auftrag „wird von Frontex nicht wirksam erfüllt. Das gibt vor allem deshalb Anlass zur Sorge, weil Frontex nun auch noch zusätzliche Aufgaben erhält.“

Frontext habe nicht ausreichend Informationen

Bemängelt wird, dass Frontex nicht ausreichend Informationen zur Lage an den Außengrenzen habe. Teils sei dies aber nicht die Schuld der Agentur. So gebe es Lücken und Unstimmigkeiten im Informationsaustausch mit den Mitgliedstaaten. Einige Mitgliedstaaten speisen nur einmal in der Woche ihre Daten in das System ein. So könne es vorkommen, dass Frontex erst mit einer Woche Verspätung erfährt, wenn an einer EU-Außengrenze besonders viele Migranten illegal einreisen wollen.

Statt den Mitgliedstaaten ein in sich schlüssiges Lagebild zu liefern, könne Frontex allenfalls mit einem Flickenteppich dienen. Damit sei die Tätigkeit von Frontex nicht weit genug entwickelt, um die Grenzschützer der Mitgliedstaaten wirksam zu unterstützen.

Kommission versäumt Folgenabschätzung

Bis 2016 hatte Frontex eher eine koordinierende und unterstützende Funktion für den Grenzschutz durch die EU-Mitgliedstaaten. In Zukunft sollen die Frontex-Beamten stärker operativ eingesetzt werden. Bislang gibt es dafür aber noch nicht den EU-Rechtsrahmen. Kritisiert wird vom Rechnungshof zudem, dass die Ausweitung von Personal, Etat und Aufgaben beschlossen wurde, ohne dass die Kommission zuvor eine Folgenabschätzung vorgenommen hat.

In der Vergangenheit hatten vor allem Journalisten die mangelnde Informationsbereitschaft von Frontex kritisiert. Mangelnde Transparenz rügt nun auch der Rechnungshof: Weder lege die EU-Grenzschutz-Truppe zufriedenstellend Rechenschaft über die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten noch über die entstandenen Kosten ab. „Mit der Begründung, dass die endgültigen Daten erst zwei Jahre später vorliegen, veröffentlicht Frontex nur Kosten, die auf Schätzungen beruhen und erheblich von den tatsächlichen Kosten abweichen“, heißt es im Bericht des Maltesers.