Die Landesregierung hat einen Bericht zur Lage der Natur vorgelegt und zieht damit auch eine Bilanz ihrer Arbeit in den letzten fünf Jahren im Naturschutz. Trotz einiger Erfolge bleiben viele Arten gefährdet – es ist eine Sisyphosarbeit.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Der neue Bericht zur Lage der Natur, den jede baden-württembergische Landesregierung einmal in fünf Jahren vorlegen muss, umfasst gut 170 Seiten – der entscheidende Satz darin dürfte auf Seite 55 stehen: „Die bisherigen Maßnahmen sind nur erste Schritte auf dem Weg zu einem Stopp des Artensterbens und zu einer Trendwende.“ Damit räumen Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltminister Franz Untersteller (beide Grüne) ein, dass auch die grün-schwarze Landesregierung bisher weit davon entfernt ist, das dramatische Artensterben und den fortwährenden Verlust von Lebensräumen aufgehalten zu haben.

 

Dabei muss man der Regierung zugutehalten, dass sie große Bemühungen unternommen hat, um in diesem Kernbereich grüner Politik mehr als nur Akzente zu setzen. Erinnert sei an die Gründung des ersten baden-württembergischen Nationalparks im Schwarzwald, der gegen große Widerstände durchgesetzt worden ist. Im Südschwarzwald kam zudem das zweite Biosphärengebiet im Südwesten dazu.

Wanderfalke und Weißstorch vermehren sich prächtig

Erinnert sei auch an das bundesweit einmalige „Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt“, das 2017 aufgelegt worden ist – es war eine direkte Reaktion auf die damaligen ersten Veröffentlichungen zum Insektensterben. Seither werden jährlich 18 Millionen Euro investiert. Damit ist etwa ein Modellprojekt zum Biotopverbund im Raum Ravensburg finanziert worden. Die Fläche, auf der Landwirte und Schäfer gegen Entgelt wichtige Naturflächen pflegen, hat sich seit 2014 um 30 Prozent erhöht. Das Land hat 800 Hektar an naturnahen Grundstücken selbst erworben, um dort für einen besseren Artenschutz zu sorgen.

Und Franz Untersteller betonte bei der Vorstellung des Berichtes im Ministerrat am Dienstag, dass bei manchen Arten eine sehr erfreuliche Aufwärtsentwicklung zu beobachten sei, wie etwa bei Wanderfalke, Weißstorch und Steinkauz. „Solche Entwicklungen belegen den Erfolg unserer Anstrengungen und den Stellenwert, den wir der Naturschutzpolitik einräumen“, sagte Ministerpräsident Kretschmann.

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Tatsächlich haben die grün-rote und dann die grün-schwarze Regierung die Mittel für den Naturschutz seit 2011 auf derzeit 106 Millionen Euro jährlich mehr als verdreifacht. Auch das Personal wurde aufgestockt, etwa in den Landratsämtern, wo die Unteren Naturschutzbehörden teilweise kaum noch arbeitsfähig waren.

Aber der Bericht zeigt eben auch die andere Seite auf. So sind nur noch ein Drittel aller Biotoptypen im Land nicht gefährdet. Noch immer haben 70 Prozent der Flüsse nur eine mäßige Wasserqualität, weitere 28 Prozent sogar eine unbefriedigende. Und von Straßen weitgehend unzerschnittene Naturräume werden im Südwesten immer seltener und sind in größerer Ausdehnung nur noch im Schwarzwald zu finden und in geringerer Ausprägung auf der Schwäbischen Alb und im Nordosten des Landes. Viele Arten, gerade jene der offenen Landschaft wie Rebhuhn oder Kiebitz, stehen vor dem Verschwinden.

Naturschützer fordern stärken Kampf gegen den Klimawandel

Es verwundert deshalb nicht, dass die großen Naturschutzverbände BUND und Nabu ambivalent auf den Bericht reagieren. Sie loben einerseits die Bemühungen des Landes. Andererseits sagt Brigitte Dahlbender, die Landesvorsitzende des BUND: „Trotzdem sterben immer mehr Tiere und Pflanzen in immer kürzerer Zeit aus. Die positive Bestandsentwicklung bei Biber und Wildkatze sollte nicht über den starken Rückgang bei einem Großteil der Insekten und weiterer Lebewesen hinwegtäuschen.“ Sie plädiert dafür, den Flächenverbrauch drastisch einzuschränken, damit nicht noch mehr Lebensräume verloren gingen. Daneben müsse man noch energischer gegen den Klimawandel kämpfen, weil auch dadurch viele Arten gefährdet würden.

Johannes Enssle, der Nabu-Landesvorsitzende, verweist auf eine Studie seines Verbandes, nach der bundesweit 225 Millionen Euro pro Jahr für die Förderung von Maßnahmen in der Kulturlandschaft fehlten. Dies sei aber existenziell, weil gerade in der Landwirtschaft viel mehr in den Umwelt- und Naturschutz investiert werden müsse. „Damit hier ein Umsteuern gelingt, brauchen landwirtschaftliche Betriebe eine verlässliche Finanzierung zur Umsetzung ökologisch wirksamer Maßnahmen“, so Enssle.