Die Berlinale hat seine erste große Überraschung: Sally Potters „The Party“ bietet eine überragende Ensembleleistung. Thomas Arslan dagegen enttäuscht mit dem ersten deutschen Wettbewerbsbeitrag „Helle Nächte“.

Berlin - Das ist doch kein Film!“, schimpft ein italienischer Kollege über Thomas Arslans Wettbewerbsbeitrag „Helle Nächte“, eine Amerikanerin seufzt: „ Das war so langweilig!“ Gefühlt ewig schaut man in einer Szene aus einem fahrenden Autos auf einen Weg in der norwegischen Pampa. An der sogenannten Berliner Schule, oft spröde und minimalistisch, scheiden sich die Geister. Arslan gilt als einer ihrer Erfinder und hat ihre Grenzen bei der Berlinale 2013 mit dem unterinszenierten, unfreiwillig komischen Pseudowestern „Gold“ selbst aufgezeigt.

 

In „Helle Nächte“ nun fliegt Michael (Georg Friedrich) nach dem Tod seines Vaters nach Norwegen, um die Formalitäten zu erledigen und Urlaub zu machen – mit seinem 14-jährigen Sohn Luis, der bei seiner Ex-Frau aufwächst. Michael müht sich, eine Beziehung aufzubauen, ins Gespräch zu kommen. Der Junge aber lässt ihn spüren, dass er seine lange Abwesenheit nicht so einfach wegwischen kann. Der Konflikt wirkt realistisch im Dialog und darüber hinaus – so sehr, dass Eltern pubertierender Kinder glauben könnten, sie wären mitten im eigenen Alltag.

Die Hintergründe der Figuren bleiben im Dunkeln.

Im Kino wollen die meisten gerade den nicht sehen, und sonst passiert wenig. Nicht einmal der Verstorbene ist noch ein Thema. Georg Friedrich, in „Wilde Maus“ eine Wucht, müht sich hier tapfer, Tristan Göbel („Tschick“) spielt einfach, was er ist: einen Vierzehnjährigen. Die Hintergründe der Figuren – typisch Berliner Schule – bleiben im Dunkeln. „Ich finde es nicht besonders elegant, das über den Dialog einzubringen“, sagt Arslan vor der Presse. Wie das sehr elegant auch anders geht, lässt sich zum Beispiel an der US-Serie „Bloodline“ studieren. Mit Bären ist bei „Helle Nächte“ eher nicht zu rechnen.

Umso mehr bei der Britin Sally Potter („Orlando“) und der sensationellen Ensembleleistung „The Party“. Janet (Kristin Scott-Thomas) ist gerade Schattenministerin geworden und hat sich mit ihrem kauzigen Mann Bill (Timothy Spall) Freunde eingeladen: die sarkastische Freundin April (Patricia Clarkson), deren esoterischen deutschen Mann (Bruno Ganz), ein lesbisches Paar mit Drillingen im Bauch.

Potter huldigt Lubitsch, Capra und Wilder

Die Party platzt schnell. Mit intelligentem Witz und exzellentem Timing drängen Fragen von Loyalität, Intrigen und Verrat in den Vordergrund, politisch wie persönlich. Potter hat in Schwarz-Weiß gedreht, „weil viele meiner Lieblingsfilme schwarz-weiß sind“, wie sie vor der Presse bekennt – und tatsächlich scheinen hinter ihrer Regie-Handschrift Ernst Lubitsch, Frank Capra und Billy Wilder durch.

Der Brexit sei während des Drehs passiert, sagt sie: „Die halbe Besetzung kam weinend ans Set. Die Realität hat den Film eingeholt, der zeigt, was falsch laufen kann, wenn Menschen ihre Prinzipien verlieren – und welch heilende Kraft das Lachen hat.“ Danke, Sally Potter.