„Weckle und Schrippen“ in Prenzlauer Berg: Der ehemalige Bundestagspräsident hat unter dem Motto „Noch ein Schwabe in Berlin“ in Berlin Wahlwerbung für die Südwest-SPD gemacht.

Berlin/Stuttgart - Ausgerechnet er, mag man denken, aber natürlich steckt dahinter durchaus Kalkül: Wolfgang Thierse, ehemaliger Bundestagspräsident und vermeintlicher „Schwaben-Kritiker“, wirbt zur Landtagswahl für die SPD in Baden-Württemberg. War da nicht was? Na klar, um die Jahreswende 2012/2013 sorgte der Sozialdemokrat mit zwei kritischen Äußerungen über die Schwaben in seinem Berliner Heimatkiez Prenzlauer Berg für ein großes mediales Echo.

 

Nun lud die Südwest-SPD am Samstag in der Hauptstadt bei „Schrippen und Weckle“ zu einem Gespräch mit Thierse und dem Spitzenkandidaten in Baden-Württemberg, Nils Schmid. Ironisches Motto: „Noch ein Schwabe in Berlin“. Rund 100 Zuhörer - vor allem Sozialdemokraten mit Verbindungen in das Bundesland - kamen, um noch einmal die Geschichte zu hören von Thierse und den Schwaben.

Also erzählte der 72-Jährige, wie er einst in einem Interview antwortete, ihn nerve, „wenn ich beim Bäcker erfahre, dass es keine Schrippen gibt, sondern Wecken“. Und: „Ich wünsche mir, dass die Schwaben begreifen, dass sie jetzt in Berlin sind und nicht mehr in ihrer Kleinstadt mit Kehrwoche.“

Thierse erlebte echten Shitstorm

Das Echo damals war riesig, auch viele Zuhörer erinnern sich: Spätzle-Attacke und Anti-Schwaben-Graffiti in Berlin, die Verleihung eines Narrenordens an Thierse und eine ihm zürnende Opposition in Baden-Württemberg. Selbst sein Urlaub im Ländle wurde zur Nachricht.

Alles, was darauf folgte, nennt Thierse ein „Medienphänomen“. Schließlich habe er seine Schelte damals ironisch gemeint. Er wohne doch schon seit 40 Jahren in Prenzlauer Berg - gerne auch als Hochburg der Schwaben in Berlin bezeichnet. Leider handele es sich um seine „erfolgreichsten Äußerungen“ als Politiker. „Da kann man schon Anfälle von Trübsinn bekommen“, meinte Thierse augenzwinkernd.

Schmid erklärte indes, in seiner schwäbischen Heimat würde man in der Bäckerei nur noch selten jemanden finden, der „Weckle“ kaufe. „Heute sagt man Brötchen.“ Allerdings würde er auch nicht „Schrippe“ sagen. „Naheliegend“, fand Thierse.

Nachdem die Geschichte der „Schwaben-Affäre“ erzählt war, kamen ernstere Themen zur Sprache. Thierse beobachtete eine „Hysterisierung und Vergröberung der politischen Kommunikation“. Schmid ergänzte: „Im Internet werden keine Diskurse gepflegt, sondern eigene Meinungen verstärkt.“ Es gebe eine riesige Verunsicherung unter Migranten angesichts der Mordserie des rechtsextremen NSU und des Aufkommens der Alternative für Deutschland.

Mit Blick auf die AfD warnte Thierse zum Schluss vor deren womöglich starkem Abschneiden bei der Wahl am 13. März: Er werde nie vergessen, wie er, aus der DDR kommend, zum ersten Mal in Baden-Württemberg war. „Bürgersteige zum Ablecken“ habe es in dem reichen Land gegeben. „Wenn ausgerechnet dort eine rechtsextreme Partei stark wird, dann ist das ein gespenstisches Signal für ganz Deutschland.“