Italiens Regierung kann vorerst weitermachen und der Premier will seinen Reformkurs nun fortsetzen. Welchen Einfluss Silvio Berlusconi künftig hat, bleibt aber offen.

Rom - Mit der letzten von inzwischen ungezählten Wendungen innerhalb zweier Tage ließ Silvio Berlusconi im Senat selbst seine engsten Vertrauten zu Stein erstarren. Noch am Mittag hatte sein Fraktionschef Renato Brunetta den Journalisten mitgeteilt, die Abgeordneten des Volks der Freiheit (PDL) würden die Vertrauensfrage der Regierung „einstimmig“ mit Nein beantworten. Eine Stunde später verkündete Berlusconi genau das Gegenteil: „Italien braucht eine zu Reformen fähige Regierung. Wir haben uns entschlossen, ihr das Vertrauen auszusprechen.“

 

Und so geschah es. Weil sich alle PDL-Abgeordneten zuvor darauf festgelegt hatten, sie würden den Anordnungen „unseres Leaders“ folgen, konnte der sozialdemokratische Ministerpräsident Enrico Letta für seine Regierung der Großen Koalition eine Zustimmung verbuchen – wie er sie selbst bei seinem Antritt vor exakt fünf Monaten nicht gewonnen hatte: 235 zu 70 Stimmen. Und hatte er in seiner Brandrede am Morgen zuvor noch gewarnt, bei einem Sturz seines Kabinetts und in einer darauf zwangsläufig folgenden politischen Unsicherheit ginge „Italien ein fatales Risiko ein“, triumphierte er am Mittwochabend selbstbewusst: „Jetzt sind Erpressungen nutzlos geworden. Diese Regierung hat gezeigt, dass sie nicht fällt“, sagt Letta.

REbellion aus den Reihen seiner eigenen Partei

Zur Kehrtwende bewogen wurde Berlusconi durch eine Rebellion, die aus seiner eigenen Partei kam. Es waren nicht nur 25 PDL-Senatoren, die im Interesse der Stabilität darauf drangen, die Regierung müsse im Amt bleiben. Schon bei dieser Zahl von „Verrätern“ wusste Berlusconi, dass Letta in Sicherheit war. Fatal aber war, dass sich auch der formelle PDL-Vorsitzende und Vizepremier Angelino Alfano auf die Seite der Regierungsfreunde schlug.

Mit wem Enrico Letta nun weiterregieren wird, blieb am Donnerstag vorerst offen. Den von Berlusconi angeordneten Rücktritt von fünf PDL-Ministern hat er jedenfalls zurückgewiesen. Sie – an ihrer Spitze eben Vizepremier Alfano – dürften ihm also erhalten bleiben. Weil entsprechende Pressekonferenzen am Donnerstag aus Respekt vor der Flüchtlingstragödie in Lampedusa kurzfristig abgesagt wurden, bleibt fürs Erste unklar, ob sich die PDL-Dissidenten wirklich von der Partei abspalten, eine neue Fraktion bilden und der Regierung damit eine solide Mehrheit sichern werden. In diesem Falle wäre Letta nicht mehr von den Truppen Silvio Berlusconis und dessen wechselnden Launen abhängig. Sollte es hingegen doch wieder zu einer Versöhnung zwischen Alfano und Berlusconi kommen, wäre auch Letzterer wieder im Boot – und könnte seine Erpressungen fortsetzen.

Letta selbst hat sich sein Überleben nicht erkauft

Den nächstmöglichen Anlass gibt es bereits: am Freitag will der Immunitätsausschuss des Senats zu seiner nun definitiven Abstimmung über das Ende von Berlusconis Parlamentarierdasein zusammentreten. Aber einzelne Senatoren stellten bereits unmissverständlich klar, sie hätten dem Sozialdemokraten Letta mit ihrem Ja zur Vertrauensfrage das politische Leben gerettet, jetzt müsse Lettas Partei dasselbe auch für Berlusconi tun. Letta selbst hat sich sein Überleben nicht erkauft. Verhandlungen mit Berlusconi wollte er nicht führen. „Der Bestand der Regierung und die juristischen Angelegenheiten Berlusconis sind zwei verschiedene Sachen“, sagt er. Was Letta in seiner Regierungserklärung vor dem Vertrauensvotum vortrug, war das Bekenntnis zur Fortsetzung des Reformkurses sowie zur „politischen Stabilität, die ein absoluter Wert“ sei. Von der Sanierung der Staatsfinanzen werde man „keinen Millimeter abrücken“, sagte Letta, versprach aber eine Umschichtung zur Entlastung der Wirtschaft und der Arbeit.