Ein Gesetzentwurf zur Regelung des beruflichen Umstiegs von Bundesministern sieht eine Karenzzeit von einem Jahr vor. Dieses Kriterium Zeit allein reicht nicht, meint Berlin-Korrespondent Bernhard Walker.

Die Liste der Seitenwechsler ist lang, die die Organisation „Lobbycontrol“ erstellt und auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat. Dort finden sich all die Fälle von Politikern, die nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt Jobs in der privaten Wirtschaft angenommen haben – sei es Altkanzler Schröder, der bei einer Tochtergesellschaft des russischen Gazprom-Konzern anheuerte, seien es die früheren Bundesminister Ronald Pofalla (er wird für die Bahn AG tätig), Dirk Niebel (er ist von Januar 2015 an Cheflobbyist beim Rüstungskonzern Rheinmetall) oder Daniel Bahr, der inzwischen für die Allianz Krankenversicherung tätig ist.

 

Wann immer Spitzenpolitiker die Seiten wechseln, entflammt eine Debatte über die Gefahr der so genannten nachgelagerten Korruption – also darüber, ob es einem Gemeinwesen gut tut, wenn Politiker ihre Kontakte, Erfahrungen und Kenntnisse über interne Regierungsabläufe in einem privaten Unternehmen zu Geld machen.

Zwölf Monate Abkühlphase

Um das Vertrauen der Bürger in die „Integrität der Bundesregierung“ zu wahren – so heißt es in einem Gesetzentwurf des Innenministeriums, der Mitte Februar ins Kabinett kommt - , will die Große Koalition nun eine Abkühlphase schaffen, sprich: eine Karenzzeit von zwölf Monaten, die ein Mitglied der Regierung vor einem Seitenwechsel beachten muss. Damit wäre zwar erstmals eine rechtliche Regel geschaffen. Nur würde auch sie das eigentliche Problem nicht beheben: Wenn ein Wechsel fragwürdig ist, wird er nicht dadurch gut, dass er erst am 366. Tag nach dem Ausscheiden aus dem Staatsamt stattfindet. Es hat eben unabhängig vom Zeitpunkt ein „Gschmäckle“, wenn Bahr nun bei der Allianz für den Vertrieb just des Produkts zuständig ist, das er als Gesundheitsminister einführte – nämlich die staatlich geförderte, private Vorsorge für die Kosten von Pflegebedürftigkeit (so genannter Pflege-Bahr).

Richtig ist allerdings auch, dass es für frühere Politiker kein Berufsverbot geben kann. Manche wollen oder müssen etwas anderes machen. Als zum Beispiel die FDP 2013 aus dem Bundestag flog, war ihr Vorsitzender, Wirtschaftsminister Philipp Rösler, gerade mal 40 Jahre alt. Die Seitenwechsler-Frage ist also eine Gratwanderung zwischen dem Korruptionsverdacht einerseits und einer neuen Karriere anderseits. Deshalb legt die Bundesregierung Wert darauf, dass künftig jeder Einzelfall betrachtet wird. Strebt ein Regierungsmitglied einen neuen Job außerhalb des öffentlichen Dienstes an, soll eine Kommission darüber beraten und der Regierung eine Empfehlung vorlegen. Daran muss sich die Regierung zwar nicht halten. Trotzdem hat die Kommissions-Idee viel für sich – allerdings nur, wenn der Expertenkreis kein bloßes Feigenblatt wird und alle Wechselwünsche durchwinkt, sondern wirklich genau prüft. Was auch heißt, dass er sich traut, sein Veto einzulegen, wenn er den neuen Job eines Ministers oder Staatssekretärs für fragwürdig hält.