Viele Zuschauer beklagen, dass in den Fernsehfilmen und Serien immer die gleichen Schauspieler mitwirken.Warum ist das eigentlich so? Ist da der Zuschauer etwa selbst schuld dran?

Stuttgart - Viele Zuschauer haben das Gefühl, dass in den Fernsehfilmen immer die gleichen Schauspieler mitwirken. Eine Zeitlang verging keine Woche ohne Christine Neubauer. Auch Veronica Ferres wird gern besetzt, und mitunter scheint die Frage, ob sie überhaupt zur Rolle passt, eher zweitrangig zu sein. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, zumal es neben Stars wie Iris Berben, Heino Ferch oder Armin Rohde eine Vielzahl von Darstellern gibt, deren Namen im Gegensatz zu ihren Gesichtern kaum geläufig sind. Götz Schubert zum Beispiel ist gefragt, wenn es darum geht, in Melodramen und Liebesgeschichten sensible Männer um die fünfzig zu verkörpern. Noch öfter ist Martin Brambach im Einsatz. Der Berliner mit der markanten Stimme hat schon in unzähligen Krimis mitgewirkt. Er ist ein großartiger Schauspieler, muss aber meist zwielichtige Typen spielen.

 

Fragt man Regisseure, Produzenten oder Schauspieler, warum unbekannte Darsteller keine Chance bekommen, ist die Antwort stets die gleiche: Die Sender scheuten das Risiko. Eine Frau, die als Casting-Chefin in Absprache mit Regisseur und Redaktion Ensembles zusammenstellt, wirft den Sendervertretern vor, sie hätten „am liebsten immer die populärsten Namen“; da sei man machtlos. Sie verweist allerdings auch darauf, dass die Anzahl der Drehtage immer kleiner werde, „deshalb muss alles zack-zack gehen. Die Nebendarsteller kommen an den Drehort und müssen ihren Text abliefern. Da nimmt man natürlich lieber Schauspieler, die schon oft bewiesen haben, dass sie so was können“.

Ein bekannter Schauspieler bestätigt diese Einschätzung, möchte aber nicht namentlich zitiert werden: Das Thema sei „vermintes Gelände“. Regisseure setzten sich durchaus für weniger bekannte Gesichter ein, aber die Sendervertreter bevorzugten „aus Angst vor einer schlechten Quote oder einfach aus Gewohnheit die ihnen bekannten Gesichter“. Der ZDF-Fernsehfilmchef Reinholt Elschot beteuert jedoch, Filme würden in erster Linie von Regisseuren und Produzenten besetzt: „Natürlich werden die Hauptrollen mit uns abgestimmt, aber die Meinung der Regisseure, die ja mit den Protagonisten arbeiten müssen, ist für uns entscheidend.“ Elschot kann sich nicht erinnern, je „einen einleuchtenden und guten Vorschlag abgelehnt zu haben“.

Bei der für die Freitagsfilme zuständigen ARD-Tochter Degeto wurde allerdings offenbar sehr gern mal ein Veto eingelegt. Die Hauptrollen waren für beliebte Aktricen wie Christine Neubauer und Thekla Carola Wied reserviert. Das hat sich erst im Zuge der neuen Geschäftsführung geändert. Mittlerweile werden deutlich „jüngere“ Geschichten erzählt, so dass auch jemand wie die aus dem Kinofilm „Keinohrhasen“ bekannte Alwara Höfels besetzt werden kann.

Bei Unbekannten schalten weniger ein

Elschot kann gleichfalls belegen, dass man beim ZDF durchaus Mut zu frischen Gesichtern habe: Für die Hauptrolle der neuen Samstagskrimis „Kommissarin Heller“ wurde Lisa Wagner verpflichtet. Die gebürtige Pfälzerin hat zwar vor drei Jahren für einen Münchener „Tatort“ den Grimme-Preis bekommen, ist aber trotzdem alles andere als bekannt. Angesichts ihres guten Eindrucks beim Casting sei das laut Elschot jedoch völlig egal gewesen. Der Auftaktfilm „Tod am Weiher“ hatte mehr als sechs Millionen Zuschauer. Der Degeto-Redaktionsleiter Sascha Schwingel vertraut bei der Besetzung ebenfalls lieber seinem Gefühl, zumal sich die Qualität eines Films für ihn vor allem über die Emotionen definiere: „Bei der Umsetzung eines Stoffes gibt es daher nur eine Maxime: Mit welchen Darstellern erreicht ein Film die größtmögliche Emotionalität?“

Auch Reinholt Elschot fragt sich jedes Mal aufs Neue, wie man das Publikum am besten erreichen könne: „Dass man dabei eher auf Schauspieler kommt, von denen sich die Zuschauer gern durch einen Film geleiten lassen, ist ein ganz normaler Vorgang.“ Außerdem will der ZDF-Fernsehfilmchef einem unbekannten Schauspieler nicht zumuten, „einen Film zu tragen, von dem erwartet wird, dass er ein großes Publikum erreicht“.

Ganz ähnlich argumentiert Gebhard Henke. Der Leiter des WDR-Programmbereichs Fernsehfilm, Kino und Serie rechtfertigt die Besetzungsweise mit dem Hinweis auf die „Tradition, dass Menschen ins Kino gehen, um den neuen Film eines Schauspielers zu sehen. Das ist im Fernsehen nicht anders, schließlich bedienen wir ein Massenmedium, und deshalb werden bestimmte Schauspieler öfter besetzt: Weil die Zuschauer sie gern sehen; und weil sie in der Regel nicht nur populär, sondern auch gut sind“. Für einen Sender sei es außerdem ist es wichtig, eine gewisse Kontinuität aufzubauen.

Christian Granderath, Leiter der Abteilung Fernsehfilm, Spielfilm und Theater beim NDR, weist darauf hin, dass ein Film mit unbekannten Hauptdarstellern deutlich geringere Einschaltimpulse auslöse: „Die Zuschauer suchen Verlässlichkeit, sie wollen nicht in erster Linie neue Talente oder Geschichten entdecken.“

Christian Granderath wirft der Presse „Heuchelei“ vor

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Vermarktung. Auf der Couch von „Wetten, dass..?“ zum Beispiel sitzen neben den Hollywood-Stars immer auch deutsche Kollegen, die kurz drauf in ZDF-Filmen zu sehen sind. Programmzeitschriften und bunte Blätter schmücken ihre Titelbilder ebenfalls gern mit deutschen Schauspielerinnen, aber in der Regel nur solchen, die laut Schwingel „aufgrund ihrer Popularität ein gewisses Medieninteresse wecken“. Christian Granderath wirft der Presse gar „Heuchelei“ vor: Einerseits werde die vermeintliche Einfallslosigkeit bei der Besetzung kritisiert, andererseits ernte er bloß mitleidiges Kopfschütteln, wenn er bei einem unbekannten Darsteller auf ein Porträt hoffe.

Viele Schauspieler wissen außerdem ganz genau, wie die Marketing-Maschine funktioniert; erst recht jene, die ihre Popularität nicht in erster Linie ihrem Talent verdanken, sondern der Tatsache, dass das Publikum eben ihren Typus schätzt. Wenn die, sagt Granderath recht grimmig, „durch die einschlägigen Medien irren, werten manche Macher dies als Garantie für den Erfolg eines Films“.