Hier ist Teamgeist gefragt: Denn Zicken und Egozentriker sind auf einem Schiff fehl am Platz. Hier müssen alle anpacken, und zwar zusammen, findet unsere Kolumnistin Stefanie Zenke.

Stuttgart - Warum tue ich mir das nur an? Das frage ich mich vor jedem meiner Segeltörns. Denn: sich mit zwanzig Menschen ein Schiff teilen, auf engstem Raum miteinander auskommen, nur selten einen Hauch der Privatsphäre spüren – das ist jedes Mal eine Herausforderung. Dieses Mal ist es also ein Törn über die Ostsee.

 

Auch diese Fahrt beginnt wie viele andere zuvor: mit der Schlacht um die beste Kabine. Beim Essen gewinnt derjenige, der am schnellsten riesige Portionen auf seinen Teller schaufelt. Wer zu spät kommt, guckt: in leere Schüsseln. Kameradschaft? Fairness? Fehlanzeige. Jeder ist sich hier selbst der nächste. Egal, ob Bankmanager oder Krankenschwester. Ich soll die Klos der anderen putzen? Für sie kochen? Neeee. Sollen sich doch die anderen die Finger schmutzig machen. Wegschauen heißt in den ersten Stunden hier die Devise. Fürs Umkehren ist es zu spät. Der Kahn, er schippert bereits aufs Meer hinaus.

Das Schiff erzieht uns alle

Doch das Gehabe der vielen Egozentriker und Zicken nimmt sein jähes Ende. Immer dann, wenn sie an Deck stehen und feststellen, dass sich Segel (jedenfalls auf diesem Schiff) nicht auf Knopfdruck setzen lassen. Ach? Das geht nur im Team? Wer hätte das gedacht . . . Da müssen wohl alle ran. Jede Hand wird gebraucht. Das blickt auch irgendwann der bornierteste und miesepetrigste Anti-Gruppen-Mensch. Man will hier ja schließlich segeln. Sind die 300 Quadratmeter Segel mit Menschenkraft einmal gesetzt, wirft sich das Schiff stolz in die hohen Wellen – ich staune jedes Mal –, verändert sich etwas an Bord. Das garstige Benehmen verschwindet wie von Zauberhand. Vielleicht ist es auch die viele frische Luft oder gar ein Virus, der die Mitreisenden ergreift. Das Schiff, es erzieht uns alle: an Bord herrscht mit einem Mal Rücksichtnahme und Teamgeist. So lässt es sich aushalten. So lässt es sich leben.