Jeder darf kurz mal auf die Bühne? Kommt bei Poetry Slams auch vor, aber nicht bei „Best of Poetry Slam“. Bei der neuen Reihe, die im Stuttgarter Gloria eröffnet wurde, kommt man nur auf Einladung ans Mikrofon. Auch diese Methode garantiert durchwachsene Ergebnisse.

Stuttgart - Was der Bitcoin für die Finanzwelt, ist der Poetry Slam für die Bühnenkunst: Lange belächelt und manchem noch immer obskur erscheinend, hat er längst eine große Fangemeinde gewonnen und das Interesse der alteingesessenen Institutionen geweckt. Etliche ehemalige Slammer werden in den kommenden Wochen mit ihren Soloprogrammen auf Stuttgarts Bühnen zu sehen sein. Auch immer mehr Slam-Shows gibt es in der Stadt, man müsste glatt über einen Slam-Filter nachdenken. Für dieses Wortspiel entschuldigt sich der Autor tausendfach.

 

So gibt es mit der am Sonntag im Kino Gloria eröffneten Reihe „Best of Poetry Slam“ nicht nur ein neues Format, das fortan alle zwei Monate stattfinden soll, sondern mit der GmbH „Sprechstation“ auch seit Kurzem ein zentrales Organisationsteam diverser landesweit verteilter Slam-Veranstaltungen.

Hanz und die Liebesfragen

Die Macher der „Sprechstation“ sind Thomas Geyer, einer der Urväter des Stuttgarter Poetry Slams, die Literaturwissenschaftlerin Anni Elster und Hanz, der noch immer keinen Nachnamen hat. Dafür aber ein Talent: Reden. Nicht zuletzt an seiner Moderation vor über 400 Besuchern im ausverkauften Saal lag’s, dass der Auftakt erfolgreich verlief. Immer wieder zitierte er aus dem mitgebrachten Teenagermagazin „Mädchen“, dessen Autorin Gabi gängige Liebesfragen Heranwachsender beantwortet. Mit zweifelhaftem Mehrwert für die Fragenstellerinnen: „Habe deine Frage jetzt erst gesehen und denke, du kannst sie dir allein beantworten.“

Während das Konzept Poetry Slam per se für ein niederschwelliges Mitmachangebot und offene Listen steht, bedarf es einer Einladung, um am „Best of Poetry Slam“ teilnehmen zu dürfen. Eine solche hatten für die Premiere erhalten: der einstige Berlin-Brandenburg-Meister Noah Klaus, der ehemalige Baden-Württemberg-Champion Stefan Unser, die amtierende Vize-Meisterin aus Baden-Württemberg namens Lisa Maria Olszakiewiecz und Jule Eckert aus Berlin, die sich bestimmt auch bald mit einem Titel schmücken wird.

Poeten-Noten vom Controlling

Einen Musikbeitrag sieht die Reihe ebenfalls vor. Außer Konkurrenz sang und rappte Jason Bartsch über seinen Heimatort Bochum: „Wo andere küssen, zeigen wir nur unsere Faust. Das Ruhrgebiet ist sparsam und so sieht es halt auch aus!“ Der tristen Stadt zum Trotz der mitreißendste Vortrag des Abends.

Die Bewertungstafeln mit den Zahlen 1 bis 10 erhielten fünf zufällig bestimmte Gäste, darunter eine Professorin aus den USA, eine Abiturientin und ein in der freien Wirtschaft respektive im Controlling Arbeitender - das Poetry-Slam-Publikum ist mittlerweile so facettenreich wie die Darbietungen.

Ins Finale hievten die Juroren die beiden Herren. Eher überraschend zog der unangenehm akzentuiert auf Komik setzende Noah Klaus unter anderem mit einem Text über den pubertierenden und folglich der Onanie frönenden Jesus Christus in die Endrunde ein, wo er allerdings Stefan Unser unterlag, der unter anderem mit „Blödwörtern“ wie „Vertrauenskontrolle“ abrechnete.