Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart bestellt den früheren nordwürttembergischen Regierungspräsidenten. Erstmals könnte es variable Bestandteile beim Gehalt für die Spitzenposition geben.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Stuttgarts früherer Regierungspräsident Johannes Schmalzl führt in den nächsten Jahren die Geschäfte der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart. Die Vollversammlung der Kammer hat Schmalzl mit deutlicher Mehrheit zum neuen Hauptgeschäftsführer der wichtigsten Kammer im Südwesten – und zugleich einer der größten bundesweit – gewählt. Für Schmalzl stimmten 46 Mitglieder der Vollversammlung bei 30 Gegenstimmen. Zudem gab es zwei Enthaltungen. An der Vollversammlung haben 85 der insgesamt 100 Mitglieder teilgenommen. Darunter waren 54, die sich nicht zu der oppositionellen Kakteen-Gruppe rechnen und 31 „Kakteen“.

 

Kakteen-Gruppe stimmt gegen Schmalz

Aus Kammerkreisen ist zwar immer wieder zu hören, dass es bei Abstimmungen nicht immer zu einer Blockbildung zwischen „Kakteen“ und Vollversammlungsmitgliedern komme, die nicht zu dieser Gruppe zählen. Dennoch kann aber angenommen werden, dass die allermeisten Stimmen gegen Schmalzl von den „Kakteen“ stammten. Diese hatten ihn erst kürzlich aufgefordert, seine Kandidatur zurückzuziehen. Ein erster Versuch, Schmalzl zu bestellen, war Ende April gescheitert, weil die Vollversammlung nach dem Auszug der Kakteen-Gruppe nicht mehr beschlussfähig gewesen war.

Bei der Wahl am Mittwoch dagegen hätten die „Kakteen“ mit einem Auszug keine Beschlussunfähigkeit herbeiführen können, da das nötige Quorum von 51 Stimmberechtigten auch ohne sie erreicht worden wäre. Zudem war im Vorfeld der Sitzung bereits zu einer zweiten Veranstaltung eine halbe Stunde später geladen worden – für den Fall, dass die erste Sitzung beschlussunfähig gewesen wäre. Dafür wäre dann kein Quorum mehr nötig gewesen.

Die Präsidentin zeigt sich erleichtert

Die im März gewählte neue Kammerpräsidentin Marjoke Breuning zeigte sich in einer ersten Stellungnahme erleichtert darüber, dass Schmalzl nun zum neuen Hauptgeschäftsführer bestellt werden konnte. „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, weil eine Entscheidung gefallen ist“, sagte Breuning dieser Zeitung, „eine weitere Hängepartie hätte sowohl dem Kandidaten als auch der Kammer geschadet“. Sie würde sich zudem freuen, wenn sie den Verzicht der „Kakteen“ auf einen Auszug aus der Vollversammlung als Reaktion auf ihre Offenheit auch gegenüber Kritikern werten könnte.

Schmalzl erklärte, er freue sich auf den Dialog mit allen wichtigen Partnern in der Region und in den Unternehmen sowie mit den Kritikern. Sein Amt werde er Ende des Jahres antreten. Er gehe davon aus, dass es noch eine gewisse Übergangszeit zusammen mit dem aus Altersgründen ausscheidenden Hauptgeschäftsführer Andreas Richter geben werde. Er wolle allen Beteiligten bewusst machen, dass insbesondere in der Region Stuttgart die Jugendarbeitslosigkeit den geringsten und der Wohlstand den höchsten Wert in Europa erreicht habe. Dies sei ein Verdienst der Unternehmen, aber auch der Kammer mit ihren umfangreichen Aus- und Weiterbildungsangeboten. „Das ist mein Thema“, sagte er über die Aus- und Weiterbildung.

Kein Problem mit Offenlegung des Gehalts

Nach Informationen dieser Zeitung hat Schmalzl bereits bei seiner Bewerbung deutlich gemacht, dass sein Gehalt am unteren Ende vergleichbarer Gehaltsstufen liegen solle. Zudem werde es voraussichtlich erstmals variable Bestandteile beim Verdienst des Hauptgeschäftsführers geben. Auch eine Offenlegung des Gehalts sei für ihn kein Problem. Als Beamter sei sein Gehalt bisher ebenfalls transparent gewesen.

Clemens Morlok, einer der Sprecher der Kakteen-Gruppe, erklärte, diese hätte gegen Schmalzl gestimmt, weil sie ihn „nicht für den optimalen Kandidaten“ halte. Schmalzl habe bisher nur Behördenerfahrung und Erfahrungen als Aufsichtsrat von Bundesunternehmen. Der neue Hauptgeschäftsführer müsse nun beweisen, dass er auch unternehmerisch denken könne. Zudem müsse er zeigen, dass er die Interessen der zahlreichen kleinen Unternehmen im Kammerbezirk vertrete. Von der von Breuning angekündigten Offenheit gegenüber Kritikern habe er bisher nichts gespürt, sagte Morlok weiter.