So wie Leonberg geht es vielen größeren Städten: Es wird gebaut und gebaut, doch der Betreuungsraum bleibt knapp. Jetzt wird über eine weitere Interims-Kita nachgedacht. Und just im Moment sind 38 Erzieherinnen auf einmal in Mutterschutz.

Es scheint eine schier unlösbare Aufgabe: Die Zahl der betreuungsberechtigten Kinder nimmt stetig zu. Doch die Zahl der Erzieherinnen bleibt allenfalls konstant, oft ist sie rückläufig. Entsprechend wächst auch der Raumbedarf. Die Kommunen bauen Tagesstätten, was das Zeug hält, wohlwissend, dass es am Ende wahrscheinlich doch nicht reichen wird.

 

Ganz so schwarz will Gabriele Schmauder aber nicht sehen. Werden alle in Leonberg geplanten Kitas realisiert, so sagt die Chefin des städtischen Amtes für Jugend und Soziales, so müsste der Platz in den kommenden Jahren erst einmal reichen. Die erfahrene Amtsleiterin verlässt sich dabei ein gutes Stück auf die eigenen Prognosen. Denn die, so sagt Schmauder, hätten meistens gepasst.

Punktlandung bei der Bedarfsplanung

So hätte ihr Team für dieses Jahr insgesamt einen Bedarf von 1899 Plätzen prognostiziert. Tatsächlich angemeldet wurden 1895 Kinder. Nahezu eine Punktlandung.

Dass der Bedarf wächst, verhehlt Gabriele Schmauder allerdings nicht. Das zeige allein schon die stetig wachsende Einwohnerzahl von Leonberg: 49 014 Einwohner sind rings um den Engelberg gemeldet, 433 mehr als im vergangenen Jahr. Diese Tendenz dürfte sich weiter fortsetzen.

Leonberg ist für junge Familien attraktiv

Entsprechend nimmt auch die Zahl der Kinder nimmt zu. Mit 500 weiteren pro Jahr rechnet das Team im Leonberger Sozialdezernat. Früher lag die jährliche Durchschnittszahl bei maximal 400. Die Chefin führt das nicht nur auf eine erhöhte Geburtenrate hin, die wohl auch mit Corona zu tun hat. „Das hat außerdem mit dem verstärkten Zuzug zu tun“, sagt Schmauder. „Leonberg ist für junge Familien eine attraktive Stadt.“

Die aktuellen Hochrechnungen im Leonberger Rathaus sehen einen kontinuierlichen Anstieg beim Bedarf an Kita-Plätzen vor: In diesem August sind es 1784, ein Jahr später 1881, im August 2024 schon 1953 Plätze.

Schwangere werden sofort rausgezogen

Um all die Kinder zu betreuen, braucht es viel Personal. Doch auch Erzieherinnen bekommen Nachwuchs. 38 von ihnen sind in Leonberg gerade im Mutterschutz. Und das geht von jetzt auf gleich: „Sobald eine Schwangerschaft festgestellt ist, werden die Frauen unmittelbar aus dem Arbeitsprozess herausgezogen“, so Schmauder. So habe eine Einrichtung auf einen Schlag acht Frauen verloren.

Und das führt dann zu massiven Problemen. „Wir dürfen nicht betreuen, wenn die Aufsichtspflicht nicht gewährleistet ist“, sagt die Amtsleiterin. „Mal fehlt’s morgens, mal mittags.“ Die Konsequenz: Die Kinder müssen umgehend nach Hause.

Werbekampagnen bringen nichts

Das Leonberger Sozialdezernat behilft sich mit Aushilfen und Praktikantinnen. Doch ob aufwendige Werbekampagne, wie sie die Stadt Stuttgart etwa im Radio praktiziert, wirklich was bringen, daran hat Schmauder ihrer Zweifel. In Ludwigsburg lief eine Kampagne mit Werbeplakaten – zumindest nicht ohne Erfolg. Rund 500 Interessenten hätten sich nach den freien Stellen erkundigt, knapp 100 Bewerbungen seien rein gekommen. Bislang seien zwölf Arbeitsverträge unterschreiben worden. Auch Rekrutierungsaktionen in Südeuropa, die einige Kommunen mittlerweile praktizieren, sieht sie eher kritisch: „Diesen Menschen müssen erst langwierig sprachliche und fachliche Kenntnisse vermittelt werden.“ Viel wichtiger ist nach ihrer Beobachtung eine dauerhafte Zufriedenheit der Beschäftigten.

Beim Platzproblem ist Gabriele Schmauder vorsichtig optimistisch. Die Kita Nord auf dem Engelberg steht kurz vor ihrer Vollendung. Die Kita West unterhalb der Gartenstadt ist im Bau. Im Ezach wird eine große Kindergarten- und Schullandschaft entstehen. An der Berliner Straße und im Unteren Schützenrain sollen im Zuge der dort beschlossenen Quartiere weitere Kitas entstehen.

Die Frage ist nur, ob all diese Neubauten schnell genug fertig sind, um den Bedarf abzudecken. Im Gemeinderat gibt es Zweifel. Frank Albrecht von der Wählergruppe „Salz“ findet, dass der Bau einer Interims-Kita, die für den Festplatz an der Steinstraße im Gespräch war, jetzt doch in Angriff genommen werden sollte.

Der Baubürgermeister Klaus Brenner ist davon nicht so begeistert, liegt dieser Bereich doch direkt im Planungsgebiet für ein „grünes Band“, das sich von der alten Autobahntrasse bis zur Altstadt erstrecken soll.

Eine Container-Kita, so mahnt Brenner, sei nur „im äußersten Notfall“ denkbar, zumal auch diese Planungskapazitäten im städtischen Bauressort bindet und Geld kostet. Dies sieht Jutta Metz von den Freien Wählern ähnlich: „Wir sollten besser die Kitas schnell vorantreiben, die wir ohnehin geplant haben und jetzt keine Schnellschüsse machen.“

Not-Kita versus Grüngürtel

Dass eine Interims-Kita das geplante „grüne Band“ im Bereich der Steinstraße gefährden würde, glaubt Elviera Schüller-Tietze (SPD) nicht: „Wir reden ja nur von einem vorläufigen Projekt, der den geplanten Grünzug nicht grundsätzlich gefährdet. “

Ob nun eine Übergangs-Tagesstätte in der Steinstraße kommt, das wird am Dienstag der Gemeinderat entscheiden. Im zuständigen Sozialausschuss zeichnete sich jetzt eine Mehrheit dafür ab.