Im Südwesten ist nach dem Scheitern des Betreuungsgeldes vor dem Verfassungsgericht nicht mit einem Landesgesetz zu rechnen. Darin sind sich die Minister Schmid und Altpeter einig.

Stuttgart - In der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg findet das Karlsruher Urteil erwartungsgemäß viel Zustimmung. Als erstes Bundesland hat der Südwesten bereits im November 2011 eine Bundesratsinitiative eingebracht und neben inhaltlichen Zweifeln auch Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes angemeldet. Die Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) spricht daher von einer „späten Genugtuung“. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, ein Föderalist reinsten Wassers, lobt: „Es ist immer gut, wenn das Bundesverfassungsgericht den Ländern ihre Kompetenzen sichert.“ Er sei „froh, dass wir jetzt selber darüber entscheiden können“.

 

Dass das geschehen wird, ist jedoch nicht so schnell zu erwarten: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns in dieser Legislaturperiode noch einmal mit dem Thema befassen“, sagte Kretschmann vor Journalisten. Schon im März 2016 ist die Landtagswahl. Außerdem ist die Koalition nach Kretschmanns Beschreibung „kein glühender Anhänger des Betreuungsgeldes“.

Finanminister Schmid findet klare Worte

Ganz klare Worte findet Nils Schmid, der SPD-Landesvorsitzende und Landesfinanzminister: „Die Herdprämie war schon immer ein familienpolitischer Irrweg, nun ist sie auch als verfassungswidrig erklärt worden. Das Betreuungsgeld ist damit gestorben.“ Auch Schmids Parteifreundin Katrin Altpeter lässt erklären, „Baden-Württemberg wird kein Betreuungsgeld einführen“. Ihr Sprecher vermutet, dass außer Bayern auch CDU-regierte Länder genau überlegen werden, ob sie die teure Leistung auf Landesebene einführen werden. „Es ist verdammt viel Geld.“ Nach Baden-Württemberg flossen dem Sozialministerium zufolge seit Beginn der Laufzeit im August 2013 rund 178 Millionen Euro. 132 000 Anträge wurden bewilligt. Nach Auffassung von Grünen und SPD ist das Geld falsch angelegt. „Das Betreuungsgeld setzt falsche Anreize, weil es Eltern ermuntert, ihre Kinder von den vorschulischen Bildungseinrichtungen fernzuhalten“, sagt Katrin Altpeter.

Auch Ministerpräsident Kretschmann spricht von Mitnahmeeffekten. „Die Transferleistung führt nicht zu den gewünschten Zielen“, konstatiert der Regierungschef. Vorrang habe die institutionelle Förderung. Grün-Rot wolle gute Bildung und Betreuung zu erschwinglichen Kosten ermöglichen. Das Geld sollte umgelenkt und in die frühkindliche Bildung und den Ausbau der Betreuung investiert werden, regt Altpeter an.

Für etwa 100 000 Familien soll es Bestandsschutz geben

Mit den Familien will es sich die Koalition jedoch nicht verderben. Kretschmann hält die Wahlmöglichkeit hoch, die auch die CDU propagiert. Altpeter fordert „Bestandsschutz für die Familien, die bereits Betreuungsgeld bekommen oder Bewilligungsbescheide haben“. Das seien derzeit insgesamt etwa 100 000. Dabei sieht sie den Bund in der Pflicht.

Die Familien hält auch die CDU hoch. Ihr Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Guido Wolf, verweist auf die große Zahl der Familien, die von dem Geld profitieren und folgert: „Das Betreuungsgeld ist im Land eine Erfolgsgeschichte.“ Entsprechend seinem Rang als Bundesland mit der drittgrößten Einwohnerzahl liegt der Südwesten bei der Anzahl der Betreuungsgeldbezieher auf dem dritten Platz. Knapp 80 Prozent von ihnen haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Wolf will wie Altpeter „die Familien nicht im Regen stehen lassen“, sieht dabei unter Umständen aber auch das Land in der Pflicht: „Wir brauchen in Zukunft eine passende familienpolitische Förderung“, proklamiert Wolf, „entweder mit den frei werdenden Mitteln des Bundes oder durch ein Familienförderprogramm des Landes.“ Entschiedener reagiert Thomas Strobl, der Chef der Landes-CDU und kein Freund des Betreuungsgeldes. Er sagt: „Landesregierung, übernehmen Sie!“