Der Betriebsratschef des Autobauers fordert eigene Produktion von Zellen, um Jobs zu sichern .

Stuttgart - Der Stuttgarter Autohersteller Daimler will beim Klimaschutz Tempo machen: „Wer Daimler-Chef Ola Källenius gut zugehört hat, weiß, dass wir nicht mehr getrieben werden, sondern das Tempo selbst gestalten wollen“, sagte Michael Brecht, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Konzerns, unserer Zeitung. „Unser Ansporn ist zu zeigen, dass wir eine treibende Kraft beim Klimaschutz sein können“, so Brecht.

 

Bisher hatten die Betriebsräte der Autobauer immer vor zu strengen Klimavorschriften gewarnt, da damit insbesondere in der Autoindustrie auch Jobs verloren gehen können. „Jeder Mensch macht eine Lernkurve mit“, so Brecht heute. „Wenn die Entscheidungen da sind, muss man sie annehmen“, erläutert der Arbeitnehmervertreter. „Es hat mich immer genervt, wenn es hieß: Daimler kommt zu spät, und Tesla marschiert vorneweg.“

An vielen Stellen werden die Klimaziele deutlich verschärft

Die vereinbarten Klimaziele sind in den vergangenen Monaten noch einmal kräftig verschärft worden. Die EU will die CO2-Emissionen bis 2030 anstatt wie bisher geplant um 40 Prozent nun um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 senken. Zugleich sollen die vor zwei Jahren verabschiedeten CO2-Flottengrenzwerte für Pkw bis 2030 von minus 37,5 Prozent auf minus 50 Prozent verschärft werden. Deutschland hat beschlossen, dass im Verkehr bis 2030 zehn Millionen Tonnen CO2 mehr eingespart werden sollen als bisher geplant. Pro Jahr dürfen dann noch 85 Millionen Tonnen ausgestoßen werden – 2020 waren es noch 150.

Daimler-Chef Ola Källenius hatte als Ziel ausgegeben, dass die Neuwagenflotte des Konzerns bis 2039 CO2-neutral gestellt sein soll. Nun deutet vieles darauf hin, dass der Konzern dieses Ziel früher erreichen will. „Für mich geht es nicht um die Zahl, ob wir 2039 oder 2035 klimaneutral sind“, so Brecht. „Wir müssen uns so aufstellen, dass wir 100 Prozent Elektrofahrzeuge liefern können, sobald es der Kunde verlangt, und sei es schon 2030.“

Im Softwarebereich könnten Jobs dazu kommen

Die Auswirkungen auf die Beschäftigung kämen dann noch früher: „Die Gleichung ist: Weniger Verbrennungsmotoren plus weniger Autos mit Hybridantrieb gleich weniger Beschäftigung in der mechanischen Fertigung“, sagte Brecht. „Das muss zwar nicht heißen, dass die Mitarbeiterzahl drastisch abnimmt, denn es gibt auch neue Betätigungsfelder, vor allem im Softwarebereich. Aber es gibt Segmente, wo wir nach Alternativen für die Beschäftigten suchen müssen.“ Brecht fordert daher, dass auch Daimler in die Fertigung von Batteriezellen einsteigt. „Bei der Fertigungstiefe kann Tesla tatsächlich ein Vorbild sein. Wenn man alles selbst machen kann, hat man das Gesamtsystem im Griff.“ Das werde im Daimler-Vorstand anders diskutiert. „Aber der Vorstand taut an diesem Punkt auf.“