Um Bargeld zu erbeuten, wenden sich Kriminelle an Angehörige, so geschehen in Gerlingen. Die Polizei warnt vor der „Corona-Masche“.

Gerlingen - Schockmoment für Doreen und Ludwig Maier am Mittwochnachmittag. Gegen 15 Uhr erhält das Ehepaar einen Anruf. Es meldet sich ein „Professor Doktor Weber“ aus dem Leonberger Krankenhaus. Seine Botschaft: Ihre Tochter Petra (alle Namen der Familie geändert) sei an Corona erkrankt und liege im Sterben. Gerettet werden könne sie nur, wenn sie mit einem noch nicht auf dem Markt erhältlichen Medikament behandelt würde. Die 32 000 Euro teure Behandlung müssten die Angehörigen allerdings am selben Tag bar bezahlen. Gleichwohl, so der Anrufer weiter, würde die Krankenkasse den Betrag garantiert im neuen Jahr erstatten. Auch sei zunächst eine Anzahlung in Höhe von 15 000 Euro möglich.

 

Zunächst führt Doreen Maier das Gespräch. Als sich ihr Mann einschaltet und darum bittet, zurückrufen zu können, wird ihm vorgehalten, durch sein Verhalten ginge kostbare Zeit verloren. Die Eltern seien also unter Umständen für den Tod der Tochter verantwortlich.

Auflösung im Krankenhaus

Ludwig Maier bleibt hartnäckig. Der Anrufer nennt letztlich eine vermeintliche Rückrufnummer – es ist die Zentrale des Krankenhauses. Dort klärt sich die Sache schnell auf: Eine Person dieses Namens ist nicht registriert. Wenig später erreichen die beiden Senioren dann auch ihre Tochter. Ihr geht es gut. Sie hatte einfach nur ohne ihr Handy einen Spaziergang gemacht.

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Die Maiers schalten die Polizei ein. Der Polizei zufolge werden derzeit zahlreiche Anrufe von Telefonbetrügern registriert. Sie alle gäben sich als Arzt oder Krankenhausmitarbeiter aus. Auch die Masche sei stets dieselbe, ebenso wie die Forderung nach Bargeld „im meist fünfstelligen Bereich“, heißt es in einer Mitteilung des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. Die Täter versuchten, eine Geldübergabe vor einem regionalen Krankenhaus zu vereinbaren, vermieden aber mit Hinweis auf die Pandemie, dass die Angerufenen ins Gebäude gingen.

Besuchsverbot in den Krankenhäusern wegen Corona

Tatsächlich sind derzeit unter anderem auch im Leonberger Krankenhaus laut Ingo Matheus Patientenbesuche nur in Ausnahmen erlaubt. Wegen Corona gebe es ein offizielles Besuchsverbot, sagt der Sprecher des Klinikverbunds Südwest. Das Telefon bleibt daher in vielen Fällen die einzige Möglichkeit zur Kontaktaufnahme.

Derweil warnt die Polizei eindringlich davor, auf solche Forderungen einzugehen, wie sie gegen das Ehepaar Maier erhoben wurden. Es komme zwar vor, dass Angehörige im Falle eines Notfalls von Krankenhausmitarbeitenden telefonisch informiert würden. „Solche Anrufe sind aber niemals mit Forderungen nach Bargeld verbunden.“

Klinik: Im Notfall geht es ums Überleben, nicht um Geld

Laut Peter Widenhorn sind die Betrüger sowohl im Landkreis Ludwigsburg als auch im Kreis Böblingen mit der sogenannten „Corona-Masche“ unterwegs. Laut dem Sprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg stammen die Angerufenen aus Gerlingen, außerdem Asperg, Bietigheim-Bissingen, Kornwestheim, Böblingen und Herrenberg. Gleich mehrere Fälle wurden zudem in Leonberg registriert.

Klinikverbund-Sprecher Matheus bekräftigt die Aussage der Polizei. „Eine Klinik würde eine Forderung nach Geld nie am Telefon erheben.“ Zumal das Finanzielle in einer solchen, gar lebensbedrohlichen Situation unerheblich sei. „Im Notfall spielen weder Versicherungsleistung noch soziale Herkunft eine Rolle. In der Notaufnahme geht es darum, dass die Person überlebt.“

Der Schock sitzt tief

Am Tag danach hält der Schrecken bei Ehepaar Maier immer noch an. Doreen Maier sagt, sie sei fremden Anrufern gegenüber grundsätzlich skeptisch. In diesem Fall änderte sich das aber in dem Moment, als der vermeintliche Arzt ihre Tochter namentlich erwähnte. Auch der Name des Arztes hätte durchaus passen können: Der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin heißt Olaf Weber.