Frei erfunden waren die „Aktienanleihen“, mit denen der Gründer der Eventus-Genossenschaft mehr als 600 000 Euro einsammelte. Das räumte er in seinem Geständnis ein. Eigentlich habe er den Käufern aber Gutes tun wollen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Gründer der insolventen Wohnungsgenossenschaft Eventus, Marco T., hat in einem ersten Betrugsprozess vor dem Landgericht Stuttgart ein weitreichendes Geständnis abgelegt. In einer von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung räumte er am Freitag ein, dass die von ihm für 615 000 Euro an Anleger verkaufte „Allianz-Aktienanleihe“ frei erfunden gewesen sei. Er habe die Käufer als langjährige Kunden von ihm aber nicht schädigen, sondern das Geld tatsächlich gewinnbringend für sie anlegen wollen. Als dies nicht gelang, habe er viele Fehler gemacht und letztlich völlig den Überblick verloren.

 

Zugleich erklärte sich T. laut seinem Verteidiger bereit, an der Aufklärung der Vorwürfe im Zusammenhang mit der Insolvenz der Eventus-Genossenschaft mitzuwirken. Mit einem Schaden von etwa zehn Millionen Euro und mehreren hundert Geschädigten ist dies der weitaus größere Tatkomplex. Während die Staatsanwaltschaft im Fall der „Anleihenverkäufe“ relativ schnell Anklage wegen schweren Betrugs erhob, dauern die Ermittlungen im Fall Eventus noch an; gegen T. und weitere Beteiligte besteht hier ebenfalls der Verdacht des Betrugs und weiterer Delikte. Aus Justizkreisen verlautete, mit einem Abschluss könnte im Herbst zu rechnen sein. Derzeit könne er zu Eventus noch keine näheren Angaben machen, weil ihm die Akten und die Vorwürfe noch nicht vollständig bekannt seien, erklärte der Gründer und Ex-Chef der Genossenschaft.

Tipp vom Privatbanker aus Baden-Baden

Am dritten Prozesstag ließ der Angeklagte schildern, wie es zu dem mutmaßlichen Betrug gekommen sei. Er habe als Finanzberater für langjährige Kunden eine eigene Anleihe auf den Markt bringen wollen. Auf diese Idee habe ihn ein Banker aus Baden-Baden gebracht, der für vermögende Privatkunden individuelle Investmentprodukte auflegte. Dieser habe ihm zwar nicht seine Geschäftsgeheimnisse, aber das Prinzip der Aktienanleihe verraten. Das Problem: die Mindestanlagesumme solle 600 000 Euro betragen.

Nach seiner Darstellung machte sich T. im Sommer 2016 daran, das Geld bei langjährigen Kunden einzusammeln. Er habe diese nicht betrügen, sondern im Gegenteil durch ein attraktives Produkt halten wollen. Erst später sei ihm klar geworden, dass ihm die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Anleihe fehlten. Im Bemühen, die Mindestsumme möglichst schnell zu erreichen, habe er „Fehler über Fehler gemacht“, ließ der 35-Jährige erklären. Irgendwann sei ihm „eine realistische Sicht auf die Dinge völlig abhanden gekommen“, die Situation habe ihn völlig überfordert. Es tue ihm „sehr leid“, dass seine Kunden durch ihn 615  000 Euro verloren hätten. ließ T. verlesen. Er werde „alles dafür tun, möglichst umfassend den Schaden wieder gut zu machen“.

Unter Tränen bedauert T. das Geschehene

In einer ergänzenden persönlichen Erklärung beteuerte T. unter Tränen, das Geschehene tue ihm „unendlich leid“. Er würde am liebsten die Zeit zurückdrehen und „den Mist ungeschehen machen“. Um den Geschädigten ihr Geld zurückzugeben, würde er „meine letzte Hose verkaufen“. Derzeit liefen dazu Verkäufe von Vermögenswerten, deutete der Angeklagte an. Weitere Fragen werde der derzeit nicht beantworten, fügte er hinzu.

Der Vorsitzende Richter machte deutlich, dass es „natürlich einige Nachfragen“ gäbe. So geht die Anklage davon aus, dass T. das eingesammelte Geld für persönliche Zwecke verwendet habe – etwa, um sein Kreditkartenkonto auszugleichen, eine Anzahlung für eine Wohnung in bester Stuttgarter Lage zu leisten oder einen Luxuswagen zu unterhalten. Ein Teil des Geldes sei wohl auch verwendet worden, um Finanzlöcher bei der Eventus-Genossenschaft zu stopfen. Es sei als Zins an Anleger ausgeschüttet worden, um die Geschäfte dort am Laufen zu halten.

Erfolgreich beim Verkauf von Versicherungen

Aufgrund der Eventus-Vorwürfe sitzt T. seit vorigem September in Untersuchungshaft. Zur Verhandlung wurde er in Handschellen vorgeführt. Seine Ausführungen wurden im Gerichtssaal von Geschädigten verfolgt und teilweise offen angezweifelt.

Am zweiten Verhandlungstag hatte der 35-Jährige geschildert, wie er zur Finanzberatung gekommen war. Die Schule hatte er einst ohne Abschluss verlassen, bei der Bundeswehr schied er nach wenigen Monaten gesundheitsbedingt aus. Über einen Bekannten habe er dann mit dem Verkauf von Versicherungen begonnen und sei dabei erfolgreich gewesen. Nach fünf Jahren im Vertrieb einer Bank habe er sich selbstständig gemacht; 2012 gründete er die Eventus-Genossenschaft. Bevor es 2016 zu finanziellen Engpässen kam, soll T. jährlich 250 000 bis 300 000 Euro verdient haben.

Am nächsten Prozesstag sollen seine Vorstrafen erörtert werden.