Falsche Polizisten am Telefon verunsichern die Bevölkerung und machen Millionenbeute. Für zwei Angeklagte ist das Spiel vorerst zu Ende.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Dass das Betrügernetzwerk von falschen Polizisten um vier mutmaßliche Mitglieder ärmer ist, darf man wohl guten Gewissens auch Frau R. zurechnen. Die 79-Jährige hat unerschrocken dazu beigetragen, dass sich zwei 23 und 34 Jahre alte Halbbrüder vor der 8. Strafkammer des Landgerichts verantworten müssen. Sie sollen zu einer Gruppierung gehören, die in Heumaden, Gärtringen (Kreis Böblingen) und Schwieberdingen (Kreis Ludwigsburg) sowie am Bodensee und in Freiburg weit über 100 000 Euro Beute gemacht haben soll. Ein weiterer 44-jähriger Beschuldigter wartet noch auf seinen Prozess, ein 27-jähriger Kurier wird gesondert verfolgt.

 

Dabei war die resolute Frau R. erst einmal sauer. Auf ihren Ehegatten nämlich, weil der ohne ihr Wissen das Haus verlassen hatte, um auf der Bank 20 000 Euro abzuheben. Der unerschrockene 80-Jährige wollte im April 2018 für einen angeblichen Polizeieinsatz in Schwieberdingen den Lockvogel gegen Einbrecher spielen. Ein angeblicher Kripomann namens Nowak hatte ihn zuvor angerufen und ihm weisgemacht, dass man mit dem Geld eine Bande überführen wolle.

Geht der Täter nun die Falle?

Zum Glück konnte ein Bankmitarbeiter Herrn R. davon überzeugen, dass hier Betrüger am Werk waren. Und zum Glück schaltete Frau R. richtig, die derweil nach Hause zurückgekehrt war und ebenfalls vom Kripomann Nowak angerufen wurde. Der erzählte ihr die gleiche Geschichte, und Frau R. kommentierte nur trocken: „Und dafür haben Sie jetzt meinen Mann ausgesucht?“

Jedenfalls war Frau R. die richtige Wahl für die weiteren Verhandlungen am Telefon. Ihr Ehemann hatte bei der Rückkehr von der Bank Polizeibeamtinnen mitgebracht, die aufpassen sollten. Man wollte den Tätern eine Falle stellen – die ohne Frau R. nicht zu schnappen wären. „Der Herr Nowak wollte nach Stunden die Übergabe auf den nächsten Tag verschieben“, sagt Frau R. vor Gericht, „aber ich habe gefordert, dass er das Geld jetzt holt, weil ich das Geld nicht über Nacht im Haus haben will.“ Sie hatte Erfolg. Ein blonder Hüne klingelte an der Tür – und die Polizistinnen überwältigten ihn umgehend. „Ich war begeistert“, sagt Herr R. Von den Beamtinnen – und seiner Frau.

Über Telefondaten immer neue Zusammenhänge

Die Festnahme des Kuriers, einem 27-jährigen Drogenabhängigen aus Asperg, war der Anfang vom Ende der Gruppe. Denn nun hatten die Ermittler ein Handy mit brisanten Daten. Und siehe da: Die Funknetzdaten tauchten auch in anderen Fällen aus dem Jahr 2018 auf. So wurde am 1. Februar ein 69-jährige Frau in Gärtringen um 25 000 Euro Bargeld und Schmuck gebracht. In Tettnang verlor eine 78-Jährige am 25. März 30 000 Euro. In Heumaden soll der 34-jährige Angeklagte am 27. März einer 53-jährigen Frau ein Täschchen mit mehreren Tausend Euro an der Haustür entrissen haben. In Freiburg sollen am 3. April bei einer 84-jährigen 100 000 Euro erbeutet worden sein.

Der Herr Nowak blieb zwar unbekannt, die Ermittler stießen aber auf zwei örtliche Logistiker, türkischstämmige Halbbrüder aus Reutlingen und Waiblingen. Dass einer als „Meister Yoda“ firmierte, eine Figur aus der Kinosaga Krieg der Sterne, nutzte ihm wenig. Ihm wurde der Raub in Heumaden zugeordnet, das Opfer erkannte ihn vor Gericht wieder. Demnächst soll auch ein 43-jähriger mutmaßlicher Drahtzieher der Gruppe vor Gericht, der die Beute in die Türkei gebracht haben soll. Hat Frau R. dafür ein Verdienstkreuz bekommen? „Von der Polizei“, sagt Frau R., „hat sich seither niemand mehr gemeldet oder gar bedankt.“