Geld wäre eigentlich genügend vorhanden in Deutschland – aber es hapert an der Verteilung. Der Waiblinger Frieder Claus klärt in seiner „Bettler’s Oper“ mit Live-Musik, Theaterszenen und schwarzem Humor über die Hintergründe auf.

Waiblingen - Wie die Welt von unten aussieht, davon habe der Normalbürger keine Vorstellung, sagt Frieder Claus: „Arme sind rechtlos, denen hilft niemand.“ Bis zu seiner Rente hat der heute 67-Jährige, der in Waiblingen lebt, das Referat „Wohnungslosenhilfe und Armut“ beim Diakonischen Werk Württemberg geleitet. Er hat Vorträge gehalten, Stellungnahmen geschrieben und sich viel Wissen über sozialrechtliche Gesetze wie Hartz IV angeeignet. „Aber wie sich diese Gesetze auswirken, das sieht man nur in der Welt von unten und die habe ich beim Diakonischen Werk nicht gekannt.“

 

Wie also kann man anderen Menschen zeigen, was arm sein in Deutschland bedeutet? „Ich habe viele Vorträge gehalten – oft vor halb leeren Reihen und irgendwann gedacht, man müsste Musik draus machen“, erinnert sich Frieder Claus, der in Endersbach aufgewachsen ist, seit seinen Jugendtagen leidenschaftlich gerne Musik macht und einst mit der Band N-Zian Songs der Rolling Stones und der Beatles auf die Bühne gebracht hat.

Tradition von Brechts Dreigroschenoper

So ist sie entstanden, die „Bettler’s Oper“, die Frieder Claus & friends am 28. März in Waiblingen aufführen. Die Zuschauer erwarten bei dieser Anti-Oper in der Tradition von Brechts „Dreigroschenoper“ „Songs und Szenen aus dem armen reichen Land“. Aber, so versichert der Erschaffer, „es wird kein deprimierender Abend“. Er verspricht knackige Dialoge, Live-Musik und reichlich Humor, denn: „Arme haben viel schwarzen Humor, sonst würden sie das gar nicht überstehen.“

Rund anderthalb Stunden dauert die Vorstellung im Dietrich-Bonhoeffer-Haus, die nicht nur unterhaltsam sein, sondern auch Daten und Fakten zur Vermögensverteilung und Armutsentwicklung in Deutschland aufzeigen will. „Wir versuchen, wirtschaftliche Zusammenhänge sichtbar zu machen, sodass man sieht, dass das eine eine Folge des anderen ist“, sagt Frieder Claus. Die Texte der deutschen Songs wie auch Daten und Fakten zum Thema Armut sind während der Aufführung auf einer großen Leinwand zu sehen. „Das ist wichtig, denn sie sind die Folie, auf der die Geschichte der Bettler’s Oper spielt.“

Zum großen Teil seien die Szenen des Stücks reale Geschichten, die er selbst erlebt habe, erzählt Frieder Claus. Zum Beispiel die von der jungen Hartz-IV-Empfängerin, deren Unterstützung auf Null gekürzt wurde und die sich daher kein Ticket leisten kann für die Fahrt zu einem Vorstellungsgespräch für einen Ein-Euro-Job. „So etwas passiert ganz schnell“, weiß Claus. Die Schwarzfahrerin wird prompt ertappt, das Arbeitslosengeld für weitere drei Monate gesperrt. „Sie ist letzten Endes im fünften Monat schwanger mit Unterernährung ins Krankenhaus eingeliefert worden“, erzählt Claus: „Und das alles ist in Freudenstadt passiert, nicht im Kongo.“

Unzureichende Beratung

Geschichten wie diese machen den Waiblinger wütend. Und sie waren der Ansporn, nach der Verrentung im Landkreis Esslingen ein unabhängiges Beratungsnetzwerk für Hartz-IV-Empfänger aufzubauen, auch weil „das Jobcenter seiner Beratungspflicht oft nicht nachkommt“.

Bei seinen Beratungen sitzen Frieder Claus oft Ratsuchende gegenüber – besonders häufig Frauen – die klagen, dass sie bei Lohnverhandlungen nicht auf Augenhöhe agieren können. „Sie müssen jeden Job annehmen und die Arbeitgeber wissen das. Es gibt viel Entrechtung bei Hartz IV.“ Wer sich da einmischt, kommt schnell in Konflikt mit Ämtern und Behörden.

Zur Vermögensverteilung sagt Frieder Claus: „So eine extreme Polarisierung wie heute hatten wir noch nie.“ Vor der Hartz-IV-Reform hätten rund drei Millionen Deutsche auf Sozialhilfeniveau gelebt, heute seien es fast acht Millionen: „Das ist Armut und sie hat sich fast verdreifacht.“ Die 45 reichsten Deutschen besäßen nun so viel Vermögen wie die untere Hälfte der Bevölkerung, rund 41 Millionen Menschen.

Sozialarbeit und Musik

Biografie
: Frieder Claus ist in Endersbach aufgewachsen und hat an der Hochschule Esslingen Sozialarbeit studiert. Im Jahr 1987 gründete er mit dem Esslinger Dekan Klaus Scheffbuch den Verein Heimstatt, dessen Ziel es war und ist, Benachteiligten, insbesondere alleinstehenden Wohnungslosen, geeigneten Wohnraum zu vermitteln und sie zu beraten. Von 2004 an war Frieder Claus bis zu seiner Rente Armutsexperte beim Diakonischen Werk.

Beratung:
Seit seinem Ruhestand im Jahr 2012 hat Frieder Claus ein Netzwerk für eine unabhängige Hartz-IV-Beratung im Landkreis Esslingen aufgebaut.

Aufführung:
Die „Bettler’s Oper“ führt ein zehnköpfiges Ensemble aus Musikern und Schauspielern am 28. März von 19.30 Uhr an im Waiblinger Bonhoeffer-Haus in der Talstraße 11 auf. Der Eintritt kostet 18 Euro an der Abendkasse, ermäßigt zwölf Euro.