Der Bezirksbeirat Stuttgart-Süd hat über das „Reallabor für nachhaltige Mobilität“ der Uni Stuttgart diskutiert. Und dabei durchaus auch kritische Anmerkungen gemacht.

S-Süd -

 

Heraus aus dem Elfenbeinturm und raus auf die Straßen, die Plätze, den ganzen öffentlichen Raum! Das ist das Prinzip, nach dem die Uni Stuttgart das „Reallabor für nachhaltige Mobilität“ ins Werk gesetzt hat, und zwar in Verbindung mit Akteuren des Alltags, denn dieses innovative Forschungsformat versteht sich als ein „Zusammenspiel von Wissenschaft und Gesellschaft“. Fast drei Jahre hat die erste, auch vom Land geförderte Projektphase gedauert – und dabei eine Reihe von Events wie auch von fortdauernden Ansätzen gezeitigt. Vom „Tanz auf der Theo“, den Parklets mit der temporären alternativen Nutzung von Parkplätzen bis zu Bürger-Rikschas in Vaihingen, Heslacher Stäffele als „öffentliche Wohnzimmer“ oder Lasten-Fahrrädern.

Experiment läuft über zwei Semester

Nach weiteren Ansätzen und Anstößen für Debatten sucht nun die bis März 2020 verlängerte zweite Phase des Projektes, deren Zuschnitt im Bezirksbeirat Süd vorgestellt wurde. Im Mittelpunkt steht diesmal der Österreichische Platz als eine Art „Seminarort“ und Experimentierfeld für „provisorische Architekturen“, wie Hanna Noller und Sebastian Klawiter als Projektkoordinatoren der Uni ausführten. Die Arbeit ist bereits voll im Gange, denn für das über zwei Semester laufende Experiment haben sich 70 Studentinnen und Studenten der Fakultät für Architektur & Stadtplanung gemeldet: „Das ist eine ungewöhnlich starke Beteiligung, die auch das starke Interesse an Fragen zur Mobilität der Zukunft spiegelt“, sagte Klawiter. Bereits am 31. Januar tagt die Jury, an der etwa der IBA-Intendant Andreas Hofer beteiligt ist, um aus den Ideen jene auszusuchen, die dann im Realversuch erprobt werden sollen.

Neben der prinzipiellen Sympathie für die Fortsetzung des Reallabors hatte das Gremium allerdings auch eine Reihe von kritischen Anmerkungen, die auf die „Fahrrad-Lastigkeit“ der Erstauflage zielten. So präludierte der Bezirksvorsteher Raiko Grieb die Debatte mit dem Hinweis, dass ihm in der ersten Phase „bei manchem die soziale Dimension gefehlt“ habe. In diese Kerbe schlug auch Marion Eisele (SPD), die von einer „hippen Sache“ sprach: „Ich vermisse aber die Berücksichtigung der Tatsache, dass wir in der Bevölkerung auch einen hohen Anteil von Menschen haben, die nicht aufs Fahrrad umsteigen können“. Einen Aspekt, den Wolfgang Jaworek (Bündnis 90/Die Grünen) auf die Fußgänger ausdehnte, von denen „80 Prozent der Wege in der Stadt zurückgelegt werden“. Auch die „Reibungsflächen, die es zwischen Radfahrern und Fußgängern gibt, sollten in den Überlegungen Berücksichtigung finden“. Wolf-Dieter Wieland (FDP) wiederum befürchtete, dass „das Reallabor sich in tausend Dinge verzettelt und nichts Handhabbares herauskommt“.

„Das ist keine Spaßveranstaltung.“

Klawiter hielt dem entgegen, dass man abwarten müsse, „welche Ideen die Studenten generieren“. Die Jury werde „die Relevanz der Fragestellung sicher im Fokus haben“, denn eines sei klar: „Das ist keine Spaßveranstaltung.“ Die Frage sei etwa: „Was für eine Mobilar braucht der öffentliche Raum für eine Mobilität, die stärker auf das Fahrrad setzt?“ Dabei könne es „nicht um irgendwelche Blechkisten“ gehen. Ein Aspekt der provisorischen Architekturen, die das Reallabor erproben soll, sei auch, „wie sich die Dinge integrieren lassen“. Im übrigen sei das noch „ein junges Forschungsformat“, das aber an vielen Orten eingesetzt werde: „In Paris und London, aber auch in Reutlingen, Freiburg oder im Hochschwarzwald“. Ein Ball, den Noller aufnahm: „Es geht darum, interdisziplinäre Zusammenarbeit voranzutreiben und die Leute an einen Tisch zu bringen. Sonst kämpft nur die eine Gruppe gegen die andere“. Zwingend sei dafür auch die Etablierung eines Mobilitätsforums. Wie ein Beitrag zu einem solchen wirkte Roland Petris (CDU) Ausführung, der Verkehr in Stuttgart sei „von unglaublicher Aggressivität“ geprägt. Gegen die „eigenen Mobilitätsegoismen“ empfahl er „Rücksichtnahme und Gelassenheit, denn Mobilitätskultur sollte auch Toleranzkultur sein“.