Die norwegische Biathletin Tiril Eckhoff setzt ihre Siegesserie auch nach der WM beim Weltcup in Nove Mesto fort. Noch vor drei Jahren war sie an einem Tiefpunkt, aus dem sie sich befreien musste.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart/Nove Mesto - Sie haben einiges gemeinsam. Beide sind Norweger, beide tragen ein gelbes Trikot und beide schießen scharf und genau. Tiril Eckhoff und Erling Haaland, die Biathletin und der Fußballer von Borussia Dortmund. Der Stürmer hat am Samstag zweimal getroffen, was gegen den FC Bayern aber nur zum 2:4 reichte, die Skijägerin traf in Nove Mesto mit 30 Schuss 28-mal, womit die 30-Jährige am Samstag im Sprint und am Sonntag in der Verfolgung ungefährdet als Erste ins Ziel marschierte. Natürlich weiß Tiril Eckhoff um den erfolgreichen Jungstar: „Klar, kenne ich ihn. Er ist sehr gut, aber ich bin ja nur eine Biathletin.“

 

Aber was für eine. Tiril Eckhoff mag außer in Norwegen nicht an den Bekanntheitsgrad des 20-Jährigen heranreichen, doch in ihrem Metier ist sie die Nummer eins, was Haaland von sich nicht behaupten kann. Die Frau aus Oslo hat bei der WM in Slowenien mit viermal Gold sowie je einmal Silber und Bronze als Königin auf der Hochebene Pokljuka regiert, sie feierte in dieser Saison zehn Einzelerfolge und liegt im Gesamtweltcup mit 923 Punkten 80 Zähler vor ihrer Landsfrau Marte Olsbu Röiseland. „Das war ein wirklich guter Tag“, sagte sie nach ihrem Sieg in der Verfolgung, „ich habe schnell und sicher geschossen. Ich bin sehr zufrieden.“

Das war nicht immer so. Nach der WM 2016 in Oslo, wo Eckhoff zwar im Sprint und mit der Staffel die Titel geholt hatte, ist sie in ein Loch gefallen. Platz elf im Weltcup 2016/17, Platz 23 in der Saison darauf und im Winter 2018/2019 Rang 13. Sie lief und schoss irgendwo im Nirgendwo – und wenn Patrick Oberegger das verunsicherte Frauenteam nicht 2018 als Trainer übernommen hätte, wer weiß, ob heute noch ein Norweger Tiril Eckhoff kennen würde. „Patrick hat mich in den letzten Jahren am meisten verändert“, erzählt die 30-Jährige, wenn sie über den Antholzer spricht. „Er hat mich aus dem Graben geholt.“

Der 42-Jährige setzte im mentalen Bereich an und feilte an der Schießtechnik. „Ich glaube, dass bei den Frauen die Psyche eine große Rolle spielt, mehr als bei den Männern“, sagte Oberegger damals, „vor allem die Gabe, Trainingsleistung ins Rennen umzusetzen, ist entscheidend. Man muss im richtigen Moment die richtigen Worte finden.“ Das ist dem Südtiroler offenbar hervorragend gelungen. Die Biathletin hat ihre Erklärung für die Verwandlung. „Früher hieß es‚ ich hätte ein mentales Problem – aber im Grunde hatte ich nicht das Vermögen“, sagte sie, „wenn du es nicht hast, kannst du den Kopf nicht nutzen, um besser zu schießen.“

Dass sie den Tunnelblick am Schießstand schärfte, indem sie sich eine Schlange auf die Schulter setzen ließ oder eine Hardrock-Band neben ihr ordentlich Lärm machte, war aber mehr eine Inszenierung fürs norwegische Fernsehen als ein Blick in den Trainingsalltag. „Patrick hat mich überzeugt, dass ich eine der besten Biathletinnen der Welt bin“, sagte die Norwegerin – und ziemlich sicher wird nicht nur der Südtiroler diese Behauptung aufstellen.

In Nove Mesto rehabilitierte sich Denise Herrmann für ihre mäßige WM, sie landete in der Verfolgung nach nur einem Schießfehler auf Platz zwei hinter Eckhoff – mehr als drei Monate hatte die 32-Jährige auf einen Podestplatz gewartet. „Da hätte nicht so ein langer Zeitraum dazwischen sein müssen“, sagte Herrmann. Franziska Preuß belegte Platz fünf. Nachdem Arnd Peiffer im Sprint Platz drei belegt hatte, musste sich der Senior (33) im deutschen Team im Jagdrennen mit Platz zehn zufrieden geben. Benedikt Doll war bester DSV-Starter auf Rang acht.