Dem deutschen Team hat bei der WM in Nove Mesto die nötige Zielsicherheit gefehlt. Mit nur zwei Medaillen hat sie so schlecht abgeschnitten wie seit 1991 nicht mehr.

Nove Mesto - Wie zwei aufgescheuchte Rehe hetzten Andrea Henkel und Miriam Gössner am gestrigen Sonntag um kurz vor halb vier durch den Wald oberhalb der Biathlon-Arena von Nove Mesto. Gerade noch neben der Strecke postiert, wollten die beiden deutschen Biathletinnen beste Sicht auf den Schießstand haben, wo zwei Skijäger des DSV im Massenstart ein letztes Mal bei dieser WM in Tschechien um eine Medaille kämpften. Andreas Birnbacher und Erik Lesser hatten sich bis zur entscheidenden Übung in einem Pulk aus sieben Mann behauptet – doch als die absolviert war, blieb als Anwärter aufs Podium nur noch Lesser übrig.

 

Der 24-jährige Thüringer traf alle fünf Scheiben, Birnbacher musste einmal in die Strafrunde. Am Ende wurde Lesser beim Sieg des Norwegers Tarjei Boe Fünfter – bei einem zarten Rückstand von knapp 13 Sekunden im Crème-de-la-Crème-Rennen seiner Zunft. Und er war fast ein bisschen überwältigt von sich selbst. „Ich bin überglücklich, dass ich mit den Typen da vorne mitlaufen konnte. Ein saugeiles Rennen“, sagte der Mann mit dem aufwendig gepflegten Bart: „Dabei wollte ich heute Morgen nicht mal joggen gehen und, übertrieben gesagt, gar nicht antreten.“

Das Rennen vom Vortag, bei dem er als  Schlussläufer der deutschen Staffel beim letzten Schießen das schon sicher geglaubte Silber vergab, seiner Mannschaft mit einer großen Energieleistung am Ende aber immerhin einen Satz Bronzemedaillen sicherte, hing Lesser noch in den Knochen. Das kleine Trauma vom Samstag konnte er 23 Stunden später aber erfolgreich abschütteln – die Verarbeitung der schwächsten WM einer deutschen Skijäger-Equipe seit 1991 wird dagegen intern wohl deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen.

„Ein saugeiles Rennen“

Im März stehen noch drei Weltcups an, danach geht es wie üblich in die Tiefenanalyse der Arbeit, die beim Saisonhöhepunkt neben Platz drei der Männerstaffel nur noch die Silbermedaille von Team-Oldie Andrea Henkel im Einzel abgeworfen hat. Aus den von Thomas Pfüller geforderten fünf bis sechs WM-Medaillen waren zwei geworden, entsprechend bedient meinte der Sportdirektor des DSV: „Sicherlich ist das enttäuschend, da muss man nach Ursachen suchen.“ Unabhängig davon ist sich Pfüller für den anstehenden Olympiawinter erstaunlicherweise aber jetzt schon sicher: „Da werden wir bestimmt wieder eine bessere Bilanz präsentieren.“

So viel Zuversicht ist Gerald Hönig fremd. Drei Stunden vor den Männern kam Miriam Gössner beim Massenstart der Frauen als beste DSV-Starterin auf Platz sechs ins Ziel, Henkel (13.) und Franziska Hildebrand (22.) rangierten unter ferner liefen. Die unbeschwerte Laura Dahlmeier (19 Jahre), die in der Staffel voll überzeugte, nimmt Hönig immerhin als Hoffnungsschimmer mit in die Zukunft. Ansonsten aber ist der Frauencoach Kummer gewöhnt, entsprechend hielt sich seine Enttäuschung bei der Abreise aus Mähren in Grenzen. „Schon als wir hierhergefahren sind, wussten wir, dass wir nicht an die Erfolge der Jahre vorher anknüpfen können“, sagte er – und haderte nach einer „schwierigen WM“ vor allem mit den zähen Zweikämpfen seiner Athletinnen mit den fünf schwarzen Scheiben. „Beim Schießen hat uns immer irgendwas gefehlt“, sagte Hönig und fand dabei drei Ausdrücke für ein und dasselbe Problem: „Kaltschnäuzigkeit, Abgezocktheit, Frechheit.“

Als anschauliches Modell stellte sich zum Abschluss ungewollt nochmals die 22-jährige Gössner zur Verfügung: Vor der finalen Übung im Stand lag sie auf Tuchfühlung zu Darja Domratschewa. Doch während die Weißrussin ihren Frust über eine komplizierte Saison kurz darauf mit ihrem Sieg im Massenstart linderte, bekam Gössner beim Zielschießen einmal mehr die große Flatter. Sie setzte drei Patronen daneben und musste zur Strafe drei Extrarunden drehen – ein sattsam bekanntes Bild. Gössner sagte: „Beim letzten Schießen hab ich’s leider ein bisschen vergeigt.“