In den Stadtbibliotheken ist in Corona-Zeiten vieles anders als sonst: Die Hygienevorschriften sind umfangreich, die Öffnungszeiten reduziert. Es gibt aber auch positive Trends wie einen Kundenanstieg im digitalen Bereich. Ein Besuch in der Bücherei Leinfelden.

Sport: David Scheu (dsc)

Leinfelden - Nach und nach läuft der Betrieb in den öffentlichen Bibliotheken wieder an. Allerdings haben die Auflagen zum Infektionsschutz gegen das Coronavirus die Abläufe kräftig durcheinander gewirbelt. Hiervon machte sich die Vizepräsidentin des baden-württembergischen Landtages, Sabine Kurtz (CDU), ein Bild bei einem Besuch in der Leinfelder Bücherei.

 

Welche Regeln gelten für einen Besuch in Corona-Zeiten?

Jeder Besucher muss sich registrieren, die Anzahl ist begrenzt. „Manchmal haben wir eine Schlange bis vor die Tür“, sagt der Bibliotheksleiter Wolfram Haferkamp. Die Zahl bemesse sich an der Fläche: In Leinfelden (650 Quadratmeter) dürfen sich 45 Personen gleichzeitig im Gebäude aufhalten, in Echterdingen (450 Quadratmeter) nur 30 Personen. Wer drin ist, wird durch Schilder auf die Verhaltensregeln hingewiesen: Im gesamten Gebäude herrscht Maskenpflicht, ein Computer darf maximal 15 Minuten benutzt werden.

„Bei uns gilt aktuell die Maxime, sich kurz zu fassen“, sagt Dorothea Veit, Leiterin der Stadtbibliothek Leinfelden-Echterdingen. Denn zum einen wolle man die Wartezeiten am Eingang kurz halten, zum anderen die Ansteckungsgefahr minimieren. „Wir wollen unter allen Umständen vermeiden, dass wir das Haus noch mal schließen müssen“, sagt Veit. „Jedes zurückgegebene Buch kommt drei Tage in Quarantäne und erst dann wieder ins Regal.“ Man orientiere sich hierbei an einer Empfehlung des Bibliotheksverbandes, um das Risiko einer Schmierinfektion zu reduzieren. „Das Virus kann sich ja laut Wissenschaft im Extremfall einige Tage auf Oberflächen halten“, sagt Veit. Ist ein Buch ganz dringend nachgefragt, wird es desinfiziert – die Quarantänezeit verkürzt sich dann auf 24 Stunden.

Was hat sich durch die Pandemie verändert?

Seit dem 5. Mai hat die Leinfelder Bibliothek wieder geöffnet – allerdings nicht im selben Umfang wie vor Corona: Da Personal für die Registrierung der Besucher und zur Desinfektion der Bücher abgestellt werden muss, wurden die Öffnungszeiten um die Hälfte reduziert. Die Besucherzahlen sind internen Statistiken zufolge im Verhältnis hierzu konstant geblieben: Im Januar kamen 5000 Besucher, im Juli 2500. Deutlich angezogen hat laut Veit die Nutzung der Online-Bibliothek. „Da sind die Zahlen im April und Mai durch die Decke gegangen“, sagt Veit über den Pool aus etwa 60 000 E-Books, den sich 35 Bibliotheken aus den Kreisen Esslingen und Göppingen teilen. Inzwischen seien die Zahlen etwas zurückgegangen. „Aber sie sind immer noch deutlich über dem Niveau, das wir vor Ausbruch der Pandemie hatten“, sagt Veit. „Corona bringt definitiv einen Digitalisierungsschub.“

Sind Bibliotheken im digitalen Zeitalter noch notwendig?

Mit dem Trend zum Digitalen verstärkt die Corona-Pandemie laut Haferkamp eine schon zuvor vorhandene Tendenz: „Vor allem bei Sachbüchern nehmen unsere Bestände ab. Da gibt es inzwischen einfach viele Infos im Internet.“ Werden die öffentlichen Bibliotheken damit überflüssig? Im Gegenteil, findet Uwe Janssen, der Vorsitzende des Fördervereins der Stadtbibliothek Leinfelden-Echterdingen: „Unsere Aufgabe hat sich gewandelt. Inzwischen geht es nicht mehr nur ums Ausleihen, sondern auch um die Aufenthaltsqualität vor Ort.“ Janssen spricht vom „dritten Ort“ neben Arbeit und Privatem, der nach Ende der Corona-Krise hoffentlich wieder in vollem Umfang genutzt werden könne. „Bibliotheken sind die am meisten genutzten öffentlichen Einrichtungen in den Kommunen“, sagt Janssen, „sie stehen jedem offen, sind gebührenfrei und ohne Konsumzwang“. Inzwischen würden viele Besucher auch ohne Leihausweise eine halbe Stunde zum Verweilen in Kinderecken oder Arbeitsräumen vorbeischauen.

Unterstützt die Landespolitik die Stadtbibliotheken genug?

Hier sieht Janssen Luft nach oben: „Der Fokus in den Ministerien liegt vor allem auf Landes- und Universitätsbibliotheken, unsere gesellschaftliche Bedeutung als Kultureinrichtung ist dagegen kaum präsent.“ Kurtz will sich dafür einsetzen, die Zuständigkeit vom Wissenschafts- auf das Kultusministerium zu übertragen: „Dort würden die öffentlichen Bibliotheken mehr Aufmerksamkeit erfahren.“ Außerdem wünscht sich Janssen, dass die Zuwendungen an die Bibliotheken verbindlich festgeschrieben werden: „Wir haben schon die Sorge, dass die Bibliotheken als Freiwilligkeitsleistungen von Sparmaßnahmen infolge der Corona-Krise betroffen sein könnten.“

Leinfelden-Echterdingens Oberbürgermeister Roland Klenk ist allerdings gegen eine vertragliche Festlegung: „Wir sollten nicht alles in Gesetze gießen, sondern die hohe Bedeutung der Bibliotheken im öffentlichen Bewusstsein verankern und täglich leben.“ Zudem sei gar nicht viel Spielraum vorhanden: „Der flexible Teil des Haushaltes beträgt 20 Prozent, damit müssen wir auch Einrichtungen wie Hallenbäder und Musikschulen versorgen.“ Immerhin: Aktuell ist Janssen mit der Unterstützung durch die Stadt zufrieden: „Es geht uns finanziell nicht schlecht.“