Der Leiter des Stadtarchivs Stefan Benning wird Kulturamtschef. 31 Jahre hat der das Archiv geleitet und in seiner jetzigen Form auch aufgebaut. Ein Blick zurück auf Jahre, die die Stadt und den Mann geprägt haben.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Bietigheim Bissingen - Das Gemälde ist grün, gelb, ziemlich leuchtend und nicht gerade klein. Es hängt im Arbeitszimmer von Bietigheim-Bissingens Stadtarchivar Stefan Benning und wirkt kein bisschen angestaubt. So wie auch der Mann, der seinen Platz in der alten Lateinschule nach 31 Jahren räumen wird, seine Arbeit nicht als Stubenhockertum oder als alleiniges Auf-alte-Papiere-Aufpassen verstanden hat. „Man sollte als Archivar nicht im Keller sitzen“, sagt Benning. Er selbst ist „eher extrovertiert“ (Benning über Benning). Einer, der auf die Menschen zugeht. „Für die Arbeit ist das viel fruchtbringender“, sagt er. An der Volkshochschule unterrichtet er, im Archivverband hat er sich für die Belange der städtischen Archive eingesetzt.

 

Stefan Benning, so kann man also getrost sagen, verkörpert das Bietigheimer Stadtarchiv. Zum Jahreswechsel wird er nun Leiter des Kultur- und Sportamts der Stadt. „Ich wollte noch einmal den Geist durchpusten in den zehn Jahren, die ich noch im Beruf bin“, sagt er mit einem zukunftsfrohen Lachen im Gesicht auf die Frage, warum er das Archiv sein lassen will. Aus dem Stellvertreter des scheidenden Kulturamtschef Heinz Steidle wird nun dessen Nachfolger.

Die Faszination des selbstständigen Arbeitens

Der Westfale, der noch immer die Mundart seiner Heimat spricht, war mit seiner Ausbildung zum Diplomarchivar noch nicht fertig, da sah er die Ausschreibung seines zukünftigen Arbeitgebers. 1981 war das. Er war 25 Jahre alt – und wusste: das ist es. Kein großes Archiv sollte es sein, sondern ein kommunales. „Dort kann man selbstständig arbeiten. Dort ist man noch Forscher und Entdecker. Dort kann man noch etwas in den Händen halten, das vorher noch niemand gesehen hat“, erklärt er. Bietigheim-Bissingen kannte er damals freilich noch nicht, wohl aber die Frau, die ihn in den Süden lockte.

Es war die Zeit der Altstadtsanierung. Das Archiv war ins Ellental-Gymnasium ausgelagert worden, weil das Rathaus renoviert wurde. Die Stadtgeschichte konnte im wahrsten Wortsinn besichtigt werden – und sollte auch systematisch archiviert und aufbereitet werden. Ein Neubeginn war das damals.

Viele Vorhaben sind in den drei Jahrzehnten umgesetzt worden. Schüler sind – etwa im Projekt Spurensuche – für das Arbeiten mit historischen Quellen begeistern worden. Das Emotionalste ist für Stefan Benning jedoch die Aufarbeitung der Zwangsarbeit in Bietigheim-Bissingen gewesen. Der Gemeinderat bewilligte dafür 2006 die nötigen finanziellen Mittel. Benning erarbeitete mit seinen beiden Mitarbeiterinnen Marion Petri und Sonja Eisele eine Liste der Arbeiterinnen und Arbeiter. Etwa 2500 Menschen aus Ländern wie der Ukraine, Russland oder Polen konnten sie ermitteln. Von den noch lebenden etwa 80 Männern und Frauen, kamen zwei Dutzend nach Bietigheim. „Das war sehr bewegend“, erinnert sich Benning. Das Forschen bekam damit „eine sehr menschliche Dimension“. Daraus ergab sich der Folgeauftrag, die Geschichte der Vertriebenen in der Stadt an der Enz und Metter zu dokumentieren.

Einen „Zeh in der Archivtür“ will er behalten

Der Anschein trügt übrigens, dass Benning sich völlig der Zeitgeschichte verschrieben hat. Sein Schwerpunkt ist eigentlich die frühe Neuzeit. Die Dissertation über die Pest, die er nach dem Magister und einem berufsbegleitenden Geschichtsstudium zu Dreivierteln fertig hat, harrt jedoch aus Zeitmangel noch ihrer Vollendung. Langweilig wird es Benning auch im neuen Job nicht werden. Theater, Kleinkunst, Veranstaltungsreihen, die städtische Galerie und jede Menge Organisationsarbeit warten auf ihn. Ob da viel Zeit für das Archiv bleibt, wo Benning zumindest „einen Zeh in der Tür“ haben will, muss sich erst noch erweisen. Wenn aber einer mit einer solchen Leidenschaft bei der Sache ist wie Benning, hat der Zeitgott ja vielleicht ein Einsehen.