Der Gemeinderat fühlt sich nicht ausreichend informiert und vertagt eine Entscheidung. Eine wichtige Frage blieb während der Diskussion unbeantwortet.

Bietigheim-Bissingen - Noch gärt nichts im Waldhof, aber es gärt bereits bei der Bevölkerung“, brachte Georg Mehrle (FDP) am Dienstagabend im Gemeinderat in Bietigheim-Bissingen die Diskussion auf den Punkt. Es ging um die geplante Biogutvergärungsanlage. Dabei hätte es nach dem Willen der Verwaltung gar keine Diskussion geben sollen. Auf dem Plan stand lediglich, dass der Gemeinderat zustimmen soll, dass die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen (SWBB) sich zu 30 Prozent an einer zu gründenden GmbH beteiligen, die die geplante Biogutvergärungsanlage betreiben wird.

 

„Heute geht es nicht um einen Standort“, betonte der Bürgermeister Joachim Kölz. Der Stadträtin Eva Jahnke (CDU) war das egal. Sie nutzte den Tagesordnungspunkt, um generelle Bedenken zu äußern, und trat damit eine Diskussion los, an deren Ende der Beschluss vertagt werden musste. Einzelne Stadträte äußerten den Eindruck, man sei von den Vertragspartnern, der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises (AVL) und dem Bieterkonsortium, bereits vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Die Anlage soll im Januar 2018 in Betrieb gehen

Geplant ist folgendes: Die zwei Hektar große Anlage soll den Biomüll des Landkreises, derzeit etwa 23 000 Tonnen im Jahr, vergären und daraus Strom, Gas und Wärme gewinnen. Außerdem fallen durch den Fermentierprozess Kompost und Flüssigdünger an, die die Landwirte nutzen können. Im März erteilte der Aufsichtsrat der AVL einem Bieterkonsortium den Zuschlag für den Bau der Anlage, die im Januar 2018 in Betrieb gehen soll. Neben den SWBB sind drei private Unternehmen mit im Boot, jedes davon auf einen Teilbereich der Anlage spezialisiert: die Bioenergie Oberriexingen betreibt Biogasanlagen, das Kompostwerk Bauland aus Pfaffenhofen unterhält Kompostanlagen und der Ludwigsburger BEM Umweltservice transportiert und verwertet Kompostabfälle für verschiedene Landkreise.

„Ich frage mich, ob Bietigheim-Bissingen diese Anlage wirklich braucht“, sagte Jahnke im Gemeinderat. Die Anlage sei mitten in eine Frischluftschneise geplant. Außerdem sei nicht klar, wie viele Lastkraftwagen pro Tag Biomüll zur Anlage liefern würden, wenn die volle Auslastung erreicht sei. Die Straße zwischen Löchgau und Bietigheim sei jetzt schon stark frequentiert. Auch sei ungeklärt, ob der Flüssigdünger und der Kompost am Ende Schadstoffe enthalten, wenn der Biomüll nicht sauber getrennt sei. „Mit der Gründung einer Gesellschaft setzen wir den Grundstein für das ganze Verfahren“, sagte Jahnke. Da noch zu viele Fragen offen seien, sollte man die Abstimmung verschieben. Volker Müller, der SPD-Fraktionsvorsitzende, sagte, seine Fraktion habe dieselben Fragen.

Eine entscheidende Frage blieb unbeantwortet

Für Verwunderung unter den Stadträten sorgte die Aussage Rainer Küblers, des Geschäftsführers der SWBB, dass das Konsortium mit der Unterzeichnung des Vertrags gegenüber der AVL die Verpflichtung eingegangen sei, die Anlage zu bauen. „Haben wir eine Chance, aus der Nummer wieder raus zu kommen“, fragte der Stadtrat Jürgen Weller (CDU). Sein Parteikollege Axel Westram ging noch weiter: „Sind wir planungsrechtlich kastriert?“ Kübler versuchte, die Wogen zu glätten und wies darauf hin, dass es ohne einen Bebauungsplan der Kommune und ohne eine emissionsschutzrechtliche Genehmigung durch das Regierungspräsidium auch keine Anlage gebe. „Dieses Risikos waren wir uns auch bewusst“, sagte Kübler.

Von ihm unbeantwortet blieb jedoch die Frage, inwiefern das Bieterkonsortium und damit auch die Stadtwerke gegenüber dem Auftraggeber AVL in Haftung genommen werden können, wenn die Anlage aufgrund eines Neins aus dem Gemeinderat nicht gebaut wird. Auch hier verlangten die Stadträte Klärung. „Die Entscheidung über die Wahl des Standorts werden wir uns in jedem Fall vorbehalten“, sagte Georg Mehrle. Die Abstimmung zur Gründung der GmbH verschoben die Stadträte mit zwei Enthaltungen auf die nächste Gemeinderatssitzung Ende Juli.