Die Bilanz der zweiten Amtszeit von US-Präsident Obama fällt durchwachsen aus. Innen- wie außenpolitisch ist ihm kaum etwas gelungen. Vor allem die Pannen bei der Gesundheitsreform dürften ihm schaden. Steht ihm ein besseres Jahr 2014 bevor?

Washington - Sein fünftes Jahr als Präsident im Weißen Haus in Washington neigt sich dem Ende zu – und Barack Obama wird in den USA und dem Rest der Welt längst nicht mehr als ein Politiker wahrgenommen, der seinen schönen Worten auch schöne Taten folgen lässt. Obama – 2009 mit dem Anspruch angetreten, Amerika grundlegend zu verändern – ist auf Normalgröße geschrumpft. Genüsslich halten ihm seine Gegner in diesen Tagen Umfragen vor, dass selbst sein Amtsvorgänger George W. Bush mittlerweile beliebter sei als er.

 

Zwar sind solche Befragungen nur Momentaufnahmen und vor allem von interessierter Seite gesteuert. Zwar kann sich vieles noch ändern, aber gut drei Jahre vor seinem endgültigen Ausscheiden aus dem mächtigsten Amt der Welt hat Barack Obama zunächst einmal allen Grund, den Jahresende-Blues zu haben. Es war sein bislang schlimmstes Jahr im Amt.

Aus all den Plänen ist wenig geworden

Ende Januar stand ein lächelnder Obama vor dem Kapitol in Washington und legte zum zweiten Mal seinen Amtseid ab. Er stimmte die Amerikaner auf harte Zeiten ein. Es gelte, die Staatsverschuldung zu senken und ein finanzierbares Gesundheitssystem zu erhalten. Es gelte, die Demokratie von Asien bis Afrika, vom amerikanischen Kontinent bis hin zum Nahen Osten zu fördern. Obama mahnte gleiche Chancen für alle an, ob sie Männer oder Frauen sind, Hetero- oder Homosexuelle, Einwanderer oder Einheimische. Obama klang, als lese er die Überschriften aus seinem politischen Programm für die nächsten vier Jahre vor.

Aus all diesen Plänen ist wenig geworden. Innen- wie außenpolitisch ist dem ersten schwarzen US-Präsidenten im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit kaum etwas gelungen. Vor allem das Chaos zum Start seiner Gesundheitsgesetzgebung dürfte ihm nachhaltig schaden. Obamas Versuche, sich auf eine Stufe mit den großen Sozialreformern des 20. Jahrhunderts, Franklin D. Roosevelt und Lyndon B. Johnson, zu stellen, gerieten zum Desaster.

Obama hat die Amerikaner falsch informiert

Seiner Regierung gelang es wochenlang nicht, die Krankenversicher-ungswebsite „healthcare.gov“ zum Laufen zu bringen, auf der die mehr als 40 Millionen unversicherten Amerikaner eine Police abschließen sollten. „Obamacare“ sei Obamas „Katrina“, ätzten die Republikaner in Anspielung auf den Hurrikan im Jahr 2005, dessen verheerende Folgen Präsident Bush damals unterschätzte und sich als ignoranter Präsident im Gedächtnis vieler Amerikaner festsetzte.

Die Computerprobleme hätten sie Obama wahrscheinlich noch nachgesehen, hätte der Präsident, der zeit seines politischen Lebens von Transparenz und Offenheit gesprochen hat, die Amerikaner nicht falsch informiert. Jahrelang predigte Obama, wer bereits eine Krankenversicherung habe, für den werde sich nichts ändern. Das verstanden viele als Zusicherung des Präsidenten, in Zukunft keine höheren Prämien bezahlen zu müssen.

Obamacare war nicht die einzige Panne

Falsch: die Versicherungsgesellschaften kündigten in den vergangenen Wochen Hunderttausende von Altverträgen. Obamas Freund Bill Clinton schüttelte verständnislos den Kopf, und Obama musste die Amerikaner um Entschuldigung bitten.

Der Start von Obamacare war vielleicht die größte Panne im bisher schlimmsten Jahr für den US-Präsidenten, die einzige war sie nicht. Der radikalpopulistischen Tea Party gelang es im Oktober beinahe, die größte Volkswirtschaft der Welt in die Staatspleite zu treiben. Für mehr als zwei Wochen kam die US-Verwaltung zum Stillstand. Der Streit über den Haushalt wurde in letzter Minute beendet. Der inzwischen von Obama in Kraft gesetzte Haushalt soll einer erneuten Blockade der öffentlichen Verwaltung vorbeugen. Der Streit war der letzte Beleg für die Behauptung, dass das politische System in den USA nicht mehr funktioniert – und der US-Präsident in solchen Fällen hilflos daneben stehen muss.

Der Präsident scheiterte auch an einem schärferen Waffengesetz

Auch die Reform des Einwanderungsrechts, mit der mehr als elf Millionen illegale Einwanderer schrittweise zu US-Staatsbürgern gemacht werden sollen, kam nicht voran. Angesichts der erbittert geführten Kämpfe zwischen den beiden US-Parteien und der anstehenden Kongresswahlen im Herbst 2014 ist nicht wahrscheinlich, dass sich schnell etwas verändert. Die US-Wirtschaft aber braucht diese Arbeitskräfte, da sind sich ausnahmsweise alle einig.

Nach dem Massaker an 20 Schulkindern und sechs Erwachsenen in Newtown, im östlichen Bundesstaat Connecticut, bemühte sich Obama einige Zeit ganz eifrig, die laxen Waffengesetze in den USA zu verschärfen. Doch der Widerstand im US-Senat war zu groß. Obama, der zweifelsohne ein Kommunikationstalent ist, scheiterte an den Abgeordneten der Republikaner und einigen aus seiner eigenen Partei, obwohl die übergroße Mehrheit der Amerikaner nichts lieber wollte als schärfere Waffengesetze. Selten war der Graben zwischen der Bevölkerung und dem politischen Establishment so groß. Selten war der begnadete Redner Obama so sprachlos.

Seit Snowden hat der Glaube an Transparenz abgenommen

Auch außenpolitische Erfolge waren dem US-Präsidenten nicht vergönnt. Seit der frühere Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden aus seinem Exil in Russland immer neue Enthüllungen über den Datenhunger des Abhördienstes NSA rund um den Globus schickt, hat der Glaube an den US-Präsidenten, er meine es mit seinen Transparenzversprechen womöglich ernst, auf der ganzen Welt abgenommen. Zunehmend regt sich auch Protest in Amerika.

Und so ging es weiter: Das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba ist immer noch nicht geschlossen – bald fünf Jahre nach dem ersten Versprechen Obamas, diese Erblast seines Amtsvorgängers Bush so schnell wie möglich abzustreifen.

Der Syrien-Einsatz scheiterte am Widerstand im US-Kongress

Das Gerede über einen Militärschlag gegen das syrische Regime erbrachte schließlich den letzten Beleg, dass Barack Obama längst entzaubert ist. Nach dem Einsatz von Chemiewaffen in dem Bürgerkriegsland schien der US-Präsident entschlossen, einen Angriff mit Raketen anzuordnen. Doch der Widerstand im US-Kongress brachte ihn wieder überraschend davon ab. Eine russische Initiative, das Giftgas vernichten zu lassen, rettete Obama aus dem Dilemma, aber nicht aus der selbst verschuldeten Glaubwürdigkeitskrise.

US-Historiker haben sich dieser Tage auf Bitte eines Magazins mit der Frage beschäftigt, ob das fünfte Amtsjahr für Obama schlimmer gewesen sei als die fünften Amtsjahre für andere US-Präsidenten. Das Ergebnis war zu erwarten: Die einen sagten so, die anderen so. Am Ende stand nur fest, dass Obama noch eine Chance hat.

Die Wahrscheinlichkeit für ein besseres neues Jahr sind gering

Sollte die Gesundheitsreform in den kommenden Monaten doch noch zu einem Erfolg werden, sollte der Streit über die Anhebung des Staatsschuldenlimits nicht wieder eskalieren, sollte der Atomstreit mit dem Iran tatsächlich gelöst, sollte gar unter US-Vermittlung ein Frieden im Nahen Osten möglich werden – dann stünde dem US-Präsidenten Barack Obama ein besseres neues Jahr bevor. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allerdings gering.