Am Flughafen Stuttgart sind im vergangenen Jahr erstmals seit 2008 wieder mehr Flugbewegungen zu verzeichnen gewesen, dennoch hat die Zahl der Beschwerden wegen Fluglärms abgenommen. Das geht aus dem nun vorgelegten Lärmschutzbericht des Regierungspräsidiums (RP) hervor.

Stuttgart - Am Flughafen Stuttgart sind im vergangenen Jahr erstmals seit 2008 wieder mehr Flugbewegungen zu verzeichnen gewesen, dennoch hat die Zahl der Beschwerden wegen Fluglärms in derselben Zeit abgenommen. Das geht aus dem nun vorgelegten Lärmschutzbericht des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart hervor.

 

Insgesamt sind beim Lärmschutzbeauftragten Klaus Peter Siefer 738 Beschwerden wegen Lärms eingegangen – 418 Fälle oder 36 Prozent weniger als im Jahr zuvor. In Zusammenhang mit je zwei militärischen und zivilen Flügen sah Siefer einen Anfangsverdacht auf Verstöße gegen Vorschriften, weshalb Anzeigen eingeleitet wurden.

201 der Beschwerden bezogen sich auf Flüge im Zeitraum der Nachtflugbeschränkung. Dabei ging es auch um 15 Einsätze von Polizeihubschraubern, die Siefer aber gar nicht erst bewertete, weil sie nicht unmittelbar in Zusammenhang mit dem Flughafen stünden. Von den 738 Beschwerden wurden nur 564, die nicht von Dauerbeschwerdeführern stammen, statistisch ausgewertet.

Siefer: Wohngebiete deutlich weniger überflogen

Die Zahl der Nachtflüge lag 2015 mit 1158 Fällen um 108 im Gegensatz zum gesamten Flugverkehr um 8,5 Prozent unter der Zahl von 2014. Genau 890 nächtliche Flugbewegungen (77 Prozent) rührten von der Nachtluftpost her, 162 (14 Prozent) waren verspätete Landungen bis 24 Uhr. Mit Einzelfall-Ausnahmegenehmigungen des Regierungspräsidiums wurden 90 Flüge (8 Prozent) verzeichnet. Einmal habe man tatsächlich einen Verstoß gegen die Nachtflugbeschränkung festgestellt und angezeigt – Starts sind nur bis 23 Uhr erlaubt, Landungen bis 23.30 Uhr und bei Verspätungen bis maximal 24 Uhr .

Die Rückgänge bei den Beschwerden stehen im Gegensatz zu den häufigeren Flugbewegungen, deren Zahl gegenüber dem Vorjahr um 3,8 Prozent auf 132 539 anstieg, was eine Trendwende markiert: Seit 2008 war die Zahl der Starts und Landungen leicht gesunken; eine Folge von zeitweise schwächelnder Nachfrage, politischen Krisen, Kriegen und Streiks, aber auch vom vermehrten Einsatz größerer Jets. Dass weniger Anrainer ihrem Ärger Luft machten als 2014, könnte nach Siefers Auffassung nicht nur an leiseren Nachtpostmaschinen liegen, sondern auch an einem anderen Umstand: Auf Bitten des Regierungspräsidiums achte die Flugsicherung verstärkt darauf, dass Wohngebiete „deutlich weniger überflogen werden“. Beispiel Vaihingen: Von dort seien nur noch 36 statt zuvor 65 Beschwerden gekommen. Bei 28 Fällen waren Flugwegabweichungen die Ursache – und die könnten sich bei bestimmten Wetterlagen zwingend ergeben, weil Piloten Gefahren wie Gewitter vermeiden müssten.

Massiver Lärm durch Militärmaschinen

Der spürbare Rückgang der Beschwerdezahl trotz höherem Flugaufkommen sei ein Erfolg, meint daher der neue Regierungspräsident Wolfgang Reimer. Für Entspannung an der Lärmfront sorgte auch, dass die Zahl der militärischen Flüge um gut 36 Prozent abgenommen habe – „durch den Abzug von Kampfhubschraubern sowie Kurier- und Passagierflugzeugen des US-Militärs“.

Dennoch kommt es immer wieder zu massivem Lärm von Militärmaschinen. Karl Heinz Schadt aus Stuttgart hat das soeben, am 23. Juni dieses Jahres, erlebt. Da saß er in der Rohrer Straße in Leinfelden-Echterdingen bei Freunden. Gegen 20.30 Uhr sei dann mehrmals ein Militärflugzeug vom Typ Boeing-Bell V-22 Osprey über die Terrasse hinweg geflogen, zuletzt in maximal 50 bis 80 Meter Höhe, schätzt Schad. „Beim direkten Überflug vibrierten die Gläser auf dem Tisch“, berichtete er, ganz zu schweigen vom „kreischenden, pfeifenden und brüllenden Lärm“. Die Bell-Boeing V-22 habe Kipprotoren, mit denen sie auch vertikal starten und landen könne. Schadt: „Je langsamer dieses Flugzeug fliegt, desto stärker neigen sich die Triebwerksturbinen mit den Rotorblättern.“ Desto mehr breite sich der Schall direkt in Richtung Boden aus.

Für Schadt ist völlig unverständlich, warum so ein Flugzeug über diesen Ballungsraum fliegen darf. Das RP verweist in diesem Fall auf die Zuständigkeit des Luftfahrtamtes der Bundeswehr für den Militärverkehr. Diese Behörde in Köln erklärte nun unserer Zeitung, die fragliche Maschine sei von der dafür autorisierten Flugsicherung angewiesen worden, eine Warteschleife zu fliegen. Der Grund: hohes Verkehrsaufkommen. Die Maschine habe sich etwa 120 bis 130 Meter über dem Boden befunden. Warum die Army diese Maschine im Raum Stuttgart fliegen lassen darf, beantwortet das Luftfahrtamt der Bundeswehr nicht. Zu den Gründen hatte allerdings der RP-Mitarbeiter Siefer 2014 im Stuttgarter Rathaus erklärt, die Army genieße aufgrund des Nato-Truppenstatutes „weitestgehende Freiheit“ beim Fliegen.