Der Ludwigsburger Gestaltungsbeirat hat keine politischen Befugnisse, trotzdem haben sich Bauherren und Stadträte immer wieder überzeugen lassen. Nach den ersten drei Jahren hat das Gremium Bilanz gezogen und wie sich nun zeigte, möchte es niemand mehr missen.

Ludwigsburg - In diesem Jahr feiert Ludwigsburg sein 300-jähriges Bestehen. Doch obwohl die Bürger stolz sind auf ihre Baudenkmale aus dem Barock und der Gründerzeit, gibt es erst seit drei Jahren wirksame Schutzmaßnahmen in Bezug auf die Architektur: 2014 wurde eine Gestaltungssatzung erlassen und in deren Gefolge ein Gestaltungsbeirat eingesetzt. Dieses Gremium, dem fünf unabhängige Architekten angehören, hat unlängst erstmals Bilanz gezogen. Trotz einiger Kritikpunkte fiel das Echo im Gemeinderat positiv aus.

 

In neun Jahren 36 historische Häuser verloren

Seit der ersten Sitzung hat das Gremium 37 Bauprojekte in der City, aber auch in den Stadtteilen begleitet. Das Spektrum reichte von Debatten über Einfamilienhäuser in Poppenweiler bis zum Um- und Neubau des 4000 Quadratmeter großen Karrees Höfe am Kaffeeberg. Die meisten Projekte, die das Gremium behandelt hat, wurden ihm von der Stadtverwaltung unterbreitet. „Inzwischen haben aber auch Architekten erkannt, dass eine Beratung durch den Gestaltungsbeirat eine kostenlose Dienstleistung für sie sein kann“, sagt Stadtplaner Martin Kurt. „Seit es den Beirat gibt, sind Fragen von Ästhetik und Architektur auch immer häufiger Stadtgespräch.“

2012 sah das noch ganz anders aus: Damals hatte ein Investor das ehemalige Walcker-Areal gekauft und darauf eine Seniorenresidenz und ein Studentenwohnheim errichtet. In die Freude des Baureferats, dass das lange brach liegende Gelände endlich bebaut worden war, mischte sich der Katzenjammer über ästhetische Mankos: „Damit ist kein Architekturwettbewerb zu gewinnen“, musste der damalige Baubürgermeister Hans Schmid einräumen. Zudem verstellen die beiden Klötze seither die Sicht auf das Residenzschloss. Erstmals wurden in der Stadt Rufe nach einem Gestaltungsbeirat laut.

Taten folgten diesen Worten aber erst, als auch die historische Bogengasse, in der ein Ensemble von Gebäuden an die zweite große Wachstumsphase Ludwigsburgs Ende des 19. Jahrhunderts erinnert, von Abrissen und rücksichtloser Neubebauung bedroht war. Innerhalb von neun Jahren seien in Ludwigsburg 36 historisch bedeutsame und stadtbildprägende Gebäude verloren gegangen, sagte der Stadtplaner Martin Kurt 2014. Diesmal wurde die Mahnung gehört und eine Gestaltungssatzung erlassen, die der Stadt ein Instrument an die Hand gab, mit dem sich weitere Bausünden verhindern lassen. Doch Verwaltung und Gemeinderat könnten nur wenig ausrichten, wenn ihnen keine Experten mit ihrem Rat zur Seite stünden. Was nun ebenfalls seit Ende 2014 der Fall ist.

Sachlichkeit statt persönlicher Attacken

Dass diese Experten auch manchmal übers Ziel hinausgeschossen haben, mussten einige Planer leidvoll erfahren. Erst als sich einer von ihnen 2016 darüber beklagt hat, dass mancher Beirat kritische Stellungnahmen mit persönlichen Herabwürdigungen verwechselt habe, wurde dem ein Riegel vorgeschoben. Baubürgermeister Michael Ilk ordnete an, dass seither stets jemand von der Stadtverwaltung die Sitzungen begleitet und darauf achtet, dass die Spielregeln eingehalten werden.

Um die Unabhängigkeit zu gewährleisten dürfen dem Gremium nur Architekten, Stadtplaner und Landschaftsarchitekten angehören, die nicht selbst in Ludwigsburg bauen. Hat die Stadt den zum Teil von weither anreisenden Experten bisher 35 000 Euro als Aufwandsentschädigung gezahlt, sind es ab diesem Jahr 40 000 Euro. Das sei einer neuen Vergütungsverordnung für Architekten geschuldet, sagt Kurt. Für den Münchener Architekten Markus Allmann, der das Gremium zum Jahresende verlassen hat, ist jetzt Sven Fröhlich vom Berliner Büro AFF Architekten nachgerückt.