Der Stuttgarter Gemeinderat forciert in Hedelfingen die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule – doch gebraucht werden laut Schulbürgermeisterin stattdessen mehr Gymnasialplätze. Nun tun sich große Hürden auf. Das Ende der Posse ist offen.

Stuttgart - Ein einzigartiger Vorgang in der Stuttgarter Schullandschaft hat am Dienstag zu einer emotionalen Debatte im Schulbeirat geführt. Es geht um die Zukunft der Steinenbergschule in Hedelfingen. Das Vorhaben, dort eine Gemeinschaftsschule einzurichten, droht zu scheitern. Was unspektakulär klingt, markiert eine weitere Etappe einer bemerkenswerten Posse. Denn der Wunsch, Gemeinschaftsschule zu werden, wurde nicht aus der Schule heraus vorangetrieben, sondern von der Politik.

 

Doch die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule, wie sie vor anderthalb Jahren von einer Gemeinderatsmehrheit aus SPD, Grünen und SÖS/Linke-plus beschlossen worden war – gegen die Stimmen von CDU, Freien Wählern und FDP, und gegen das Votum der Stadtverwaltung – ist nicht so einfach umzusetzen. Im Schulbeirat erläuterte Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) die Gründe. Aufklärung sowie eine weitere Perspektive für die Steinenbergschule hatten im Dezember 2016 die Freien Wähler und die CDU gefordert.

Für eine Gemeinschaftsschule wäre eine Neugründung nötig

„Die Situation ist schwierig“, so Fezer. Denn inzwischen wäre für die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule am Standort Steinenbergschule eine Schulneugründung nötig, wie das Regierungspräsidium im Dezember 2016 mitgeteilt habe. Der Grund: die Steinenbergschule ist vom kommenden Schuljahr an nur noch Ganztagsgrundschule, die noch verbliebene Klassenstufe zehn der Werkrealschule soll an einem anderen Standort zu Ende geführt werden. Das Aus für die Werkrealschule hatte der Gemeinderat mangels Nachfrage bereits im Jahr 2013 beschlossen.

Das bedeutet: das pädagogische Konzept für die Klassenstufen fünf und sechs der Gemeinschaftsschule müssten Kollegen aus bestehenden weiterführenden Schulen entwickeln. Und sie müssten zudem bereit sein, das Konzept an ihren bisherigen Klassen zu erproben, Unterrichtsbesuche durch das Staatliche Schulamt und das Regierungspräsidium zu bekommen und sich zu verpflichten, an die Steinenbergschule zu wechseln, wenn dort eine Gemeinschaftsschule eingerichtet werden sollte. „Jetzt gründen wir eine Arbeitsgemeinschaft“, kündigte Fezer an. Die Lehrer dafür müsse man noch suchen.

Es bräuchte dauerhaft 40 Schüler in den Eingangsklassen

Doch selbst wenn dies alles erfüllt sein sollte, müsste die Stadt Stuttgart als Schulträgerin noch nachweisen, dass sich dauerhaft mindestens 40 Schüler für die Eingangsklassenstufe fünf finden. Und dies sei „nach wie vor nicht abzusehen“, erklärte Fezer. Statt dessen gebe es einen Bedarf an Gymnasialplätzen am Oberen Neckar – „den kann ich nicht leugnen, und den können wir nicht einfach ignorieren“. Sie halte aber „nichts davon, dort ein zweizügiges Gymnasium zu gründen“, so Fezer. Sie kündigte an: „Wir werden Ihnen zu gegebener Zeit einen Vorschlag machen.“

Bereits im Vorfeld jenes Gemeinderatsbeschlusses vom November 2015 hatte die damalige Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) davor gewarnt, für die Steinenbergschule eine Gemeinschaftsschule zu beantragen, da nach Einschätzung von Stadt und Regierungspräsidium die Schülerzahl nicht ausreiche. Daran hat sich laut Fezer bis heute nichts geändert.

Nötig wären mindestens 40 Schüler pro Jahrgang. Dies könne nur zu Lasten der Nachbarschulen zustande kommen: Linden- und Birkenrealschule und der Werkrealschule in Wangen. „Wir sind verpflichtet, den Gemeinderatsbeschluss umzusetzen“, sagte Fezer. „Wir versuchen, unseren Auftrag zu erfüllen.“ Allerdings sei „Wangen nicht bereit, an der Gemeinschaftsschul-Neugründung mitzuarbeiten“.

Der Schulbeirat will Bedarfszahlen

Der Schulbeirat beurteilte die Situation kontrovers und verlangte aktuelle Bedarfszahlen. Fred-Jürgen Stradinger (CDU) schlug vor, die Ratsentscheidung zu überdenken. Gabriele Nuber-Schöllhammer (Grüne) drang auf eine rasche Perspektive für die Steinenbergschule. Auch Marita Gröger ( SPD) bekannte sich weiterhin zur Gemeinschaftsschule, merkte aber an: „Ein Lehrstück, wie’s nicht laufen sollte.“ Rose von Stein (Freie Wähler) schlug vor, Nachbarschulen zu fragen, ob sie Gemeinschaftsschulen werden wollen.

Der Schuldekan Thomas Reuß , der Geschäftsführende Sonderschulleiter Michael Hirn und die Vorsitzende des Gesamtelternbeirats, Kathrin Grix, warfen ein, die Neugründung einer Schule könne auch eine Chance sein. Hirn warnte allerdings davor, Lehrer unter Druck zu setzen. Fezer versprach: „Wir werden nicht zwei Jahre lang hinter Lehrern herrennen.“