Ob als Wirtschaftsförderer oder Bildungsmanager: Klaus Vogt hat in Stuttgart einen Ruf wie Donnerhall. Die Finanzierung seines 50. Geburtstags beschäftigt nun die Staatsanwaltschaft.* Wer bezahlte das Catering?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein Geburtstagsfest, an das sich Teilnehmer bis heute gut erinnern. Gefeiert wurde in einem Terrassenbau mit bester Aussicht auf die Stuttgarter Innenstadt. Gekommen waren vielleicht zweihundert Gäste, darunter Prominente aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Auf mehreren Ebenen gab es Essen, Trinken und Unterhaltung. „Fünzigschter“ stand groß auf der Vorderseite der Einladung, „Genug gespart“ als Motto über dem opulenten Programm – vom Apero über das Dinner bis zum Auftritt von Kleinkünstlern, die man aus der Kulturkneipe „Rosenau“ kennt. Später legte ein DJ auf, um Mitternacht wurden dann nochmals Snacks gereicht.

 

Eingeladen hatte an jenem 25. März 2017 ein Stuttgarter, der sonst eher im Hintergrund agiert, aber in der Stadt als geradezu legendär vernetzt gilt: Klaus Vogt, der Chef des Kolping Bildungswerks Württemberg, zuvor Wirtschaftsförderer im Rathaus unter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU). Viele Gäste kamen aus seinem beruflichen Umfeld, auch CDU-Größen aus Stadt und Land waren darunter – vorneweg die heutige Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann, eine langjährige Freundin. Egal, wen man fragt, alle sind voll des Lobes über Vogt: ein „guter Typ“ sei der, umgänglich, jovial und zugewandt. Im Job gilt er als extrem umtriebig und ausgesprochen clever. Auch dank seiner exzellenten Kontakte erreiche der Strippenzieher meist, was er sich vorgenommen habe.

Als Wirtschaftsförderer hoch gelobt

Seinen Ruf begründete Vogt, zuvor sieben Jahre Geschäftsführer des Privatschulverbandes Baden-Württemberg, mit seinem Wirken im Rathaus. Dort richtete er seit 2005 die Wirtschaftsförderung neu aus, kümmerte sich um Existenzgründer und Kreativwirtschaft, baute das Stadtteilmanagement auf und holte „erhebliche private Investitionen“ in die Landeshauptstadt. Der promovierte Betriebswirt habe „hervorragende Arbeit geleistet“, bilanzierte OB Schuster zu dessen Abschied Ende 2010, er lasse ihn höchst ungern ziehen. Vogts künftiger Wirkungsstätte, dem Kolping Bildungswerk Württemberg, könne man nur gratulieren.

In der neuen Funktion legte sich Vogt nicht minder ins Zeug. Aus dem katholischen Bildungsträger, damals vor allem beim zweiten Bildungsweg engagiert, machte er über die Jahre einen breit aufgestellten Schulkonzern. Heute verfügt dieser über 120 Schulen an 40 Standorten in Württemberg, mit insgesamt 15 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und mehr als 1500 Mitarbeitenden. Lebenslanges Lernen zu ermöglichen versteht das Bildungswerk als seinen Auftrag, ganz im Sinne des Mottos von Adolph Kolping: „Das was der Mensch aus sich macht, das ist er.“ Dank Vogt sei man nicht nur kräftig gewachsen, sondern habe auch „moderne Managementmethoden“ eingeführt, lobte der Aufsichtsrat. Unter dem Dach des Vereins ist ein Firmenimperium entstanden, das in einem schmucklosen Fünfstöcker an der Theodor-Heuss-Straße residiert – gekrönt vom Leuchtschriftzug „Kolping Bildung“.

Eng mit Alt-OB Schuster verbunden

Im gleichen Gebäude sitzt heute auch Alt-OB Schuster mit seiner „European Foundation for Education“, kurz EFE. Der gemeinnützige Verein, der sich um Bildungschancen für junge Europäer kümmert, ist eng mit dem Kolping Bildungswerk vernetzt. Bei internationalen Projekten arbeitet man zusammen, zwei Kolping-Manager sind Stellvertreter des Präsidenten Schuster: Klaus Vogt und sein Geschäftsleitungskollege Raimund Gründler, einst Büroleiter des Oberbürgermeisters und durch die erfolglose Olympia-Bewerbung bekannt geworden – ein Rathaus-Trio in neuer Formation.

Meist arbeitet Vogt geräuschlos am Ausbau des Bildungskonzerns. Aufwallungen gibt es nur, wenn er ein begehrtes Grundstück für Kolping ergattert, wie in Bad Cannstatt. Dahinter werden seine guten Drähte ins Rathaus vermutet. Nun aber droht dem „großen Zampano“, wie Bewunderer ihn nennen, Ärger an unerwarteter Front: wegen seiner Geburtstagsfeier. In einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft Stuttgart wird behauptet, er habe sich das Catering trickreich von Dritten bezahlen lassen.

„Duett von Hirsch und Wildsau“

Hintergrund sind die Turbulenzen bei den gemeinnützigen Gesellschaften für Schulung und berufliche Reintegration (SBR) und für die Bonus-Märkte. Wegen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten wurde dort der langjährige Geschäftsführer Manfred Kaul geschasst; er bestreitet alle Vorwürfe. Im Zuge der Aufarbeitung ließ der Vorstand des Trägervereins von einer Anwaltskanzlei eine zehnseitige Strafanzeige gegen Kaul erarbeiten. Einer der Punkte: Vogts „Fünfzigschter“. Speis und Trank nämlich sollte das zur SBR gehörende Restaurant Tempus beim Haus der Geschichte liefern. Für 17 100 Euro, so dessen Angebot, verköstige man 200 Gäste: unter anderem mit italienischen Antipasti, Piccata vom Kalb mit Rosmarinjus, Duett von Hirsch und Wildsau und einem Dessertbuffet; dazu kämen die Weine aus Italien, Württemberg und Baden.

Das Tempus lieferte auch, stellte aber offenbar keine Rechnung. Stattdessen, ergaben laut der Anzeige SBR-interne Gespräche mit Mitarbeitern, hätten Vogt und Kaul wohl die Aufteilung eines Betrages von 15 000 Euro an drei Adressaten vereinbart: 6500 Euro seien dem Kolping Bildungswerk für Beratung bei einem Projekt in Rechnung gestellt worden; Unterlagen zu den angeblich zehn Zusatztagen fänden sich bei der SBR indes nicht. Je 4250 Euro habe ein anderer SBR-Gastronomiebetrieb, Olümp Lokal & Location, zwei Partnerfirmen von Kolping berechnet, jeweils für ein „Firmenevent“ im März 2017. Die beiden Events habe es so wenig gegeben wie ein Catering, Leistungen seien nicht erbracht worden. Auf Wunsch des Kunden Rechnungen zu splitten sei nicht ungewöhnlich, sagt Kaul dazu – etwa wenn sich drei Söhne die Kosten für das Geburtstagsfest des Vaters teilen wollten.

Staatsanwalt prüft auch Geburtstagsfeier

Gegen den Ex-Geschäftsführer ermittelt die Staatsanwaltschaft seit einigen Monaten wegen des Verdachts der Untreue. Auslöser sei die Strafanzeige, in der es unter anderem um die „Bewirtung einer Geburtstagsfeier“ gehe, sagt die Behördensprecherin. Geprüft werde auch, „ob und gegebenenfalls wie sich weitere Personen strafbar gemacht haben“.

Fragen dazu beantwortet Klaus Vogt nicht persönlich, sondern über einen vom Kolping-Bildungswerk-Verein beauftragten Anwalt. Die Geburtstagsfeier sei eine „reine Privatangelegenheit“ des Vorstandsvorsitzenden gewesen, teilt dieser mit. Ob Vogt die Kosten selbst getragen habe oder Dritte dies übernommen hätten, wisse der Verein nicht. Das Kolping Bildungswerk habe jedenfalls nichts dafür bezahlt, die berechnete Beratung sei tatsächlich erbracht worden. Es gehe um einen Zusatzaufwand von pauschal zehn Tagen, der wie das gesamte Projekt dokumentiert sei; Auszüge aus Unterlagen legt der Anwalt vor. Die Kosten für die Nutzung des Gebäudes in der Stafflenbergstraße – laut Einladung das „ehemalige Staatsministerium“ – übernahm zunächst das Bildungswerk. Später seien sie Vogt „anteilig berechnet“ worden.

Firmen schweigen zu angeblichen Firmenevents

Die beiden Firmen, die die Party mit bezahlt haben sollen, reagierten auf mehrere Nachfragen nicht. Was ihre Gründe gewesen sein könnten, ließ sich so zunächst nicht klären. Mit der einen, der Becon GmbH in Gerlingen, kooperiert das Bildungswerk bei Sprachkursen für ausländische Fachkräfte, zur anderen, der SIG Stuttgarter Immobiliengesellschaft, gibt es mehrere Berührungspunkte. Beide seien „Sponsorin unseres Mandanten“, berichtet der Anwalt, gäben also Geld für Sozialstipendien. Ob es die Firmenevents wirklich nicht gab, warum trotzdem für Catering bezahlt wurde, im Fall von Becon erst mehrere Monate später – all das bleibt unbeantwortet. Möglicher Grund: Für die Firmen könnte es heikel werden, wenn sie die Kosten als Betriebsausgaben abgesetzt haben.

Auf Fragen nach weiteren Kosten der Riesensause – etwa für Künstler oder Veranstaltungstechnik – ist ebenfalls keine Auskunft zu erhalten. Statt Geschenken wurden in der Einladung Spenden an die Kleinkunstbühne Rosenau erbeten, zur Renovierung der Spielstätte – „wenn Ihr mir eine Freude machen wollt“. Beim dortigen Trägerverein sitzt der umtriebige Vogt im Vorstand, als Schatzmeister.

* Anmerkung der Redaktion: Das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Klaus Vogt wurde zwischenzeitlich mangels hinreichendem Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.