Das Referat für Jugend und Schule hat Leitmotive für ein Bildungsgerechtes Stuttgart angekündigt. Das vorgelegte Papier stößt bei Stadträten und Verbänden auf Kritik, weil es eine grundsätzliche Haltung vermissen lasse.

Stuttgart - 60 Seiten lang ist der Bericht zu Leitmotiven für ein bildungsgerechtes Stuttgart, den Bürgermeisterin Isabel Fezer dem Jugendhilfeausschuss präsentiert hat. Er soll, so ihre Ankündigung, Handlungsfelder in der Kommune definieren und Verantwortlichkeiten benennen. „Der Bericht hangelt sich an den verschiedenen Lebensphasen entlang“, so die Bürgermeisterin für Jugend und Schule. Er zählt alle Angebote auf, die es schon gibt in der Stadt, angefangen bei den Frühen Hilfen für Familien bis hin zum Übergangsmanagement zwischen Schule und Beruf. In einem zweiten Schritt wolle ihr Referat eine Ergebnisanalyse fertigen und im Herbst dem Gemeinderat vorlegen.

 

Lückenhafter Bericht

„Anerkennenswert, aber keine einfache Kost“, kommentierte CDU-Stadträtin Iris Ripsam im Jugendhilfeausschuss das Papier, das „unendlich viele Wiederholungen“ enthalte, gleichwohl viele Lücken habe. So gehe der Bericht zu wenig auf die offene Jugendarbeit ein, entwickle keinen Plan für die genannten 17 100 Jugendlichen ohne Schulabschluss, erkläre nicht, warum sich die Verhältnisse in Brennpunktgebieten nicht ins Positive kehrten, obwohl man dort „immens“ Geld reinstecke. „Ihre Leitmotive sind für mich eher Umsetzungsmodule, wir müssen diskutieren, ob wir mit Leitmotiv nicht eher eine grundsätzliche Haltung formulieren sollten“, forderte sie und meinte damit auch die Mitwirkung der Stadträte und der Sachkundigen.

Grünen-Stadtrat Vittorio Lazaridis schlug in dieselbe Kerbe. „Das ist ein Papier nach dem Motto ,Tue Gutes und rede darüber‘“. Seiner Fraktion fehlten die „Verquickung“ zwischen Defiziten und Lösungsmöglichkeiten oder aber Handlungsvorschläge in Anbetracht bekannter Neuerungen, zum Beispiel des Rechtsanspruchs auf Betreuungsplätze für Schulkinder: „Ich erwarte bis Herbst eine Vorlage“, so Lazaridis. Er bezeichnete die Stuttgarter Bildungspartnerschaft für gescheitert, sie habe „Kollegen zerrieben“. Es sei Zeit für die Schaffung eines pädagogischen Amts. Angesichts der detaillierten Ausführungen der Vorredner schlossen sich die anderen Stadträte dem Gesagten an. Judith Vowinkel (SPD) forderte darüber hinaus Informationen darüber, wie es nun weitergehe, Christian Walter von SÖS/Linke-plus lobte die Aufrichtigkeit, mit der große Mängel bei der Inklusion benannt werden.

Kritik an Eliteförderung

Rose von Stein (Freie Wähler) ärgert sich über mangelnde Hochbegabtenförderung, während Heinz Gerstlauer, bis vor Kurzem noch Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Gesellschaft und Mitglied im Jugendhilfeausschuss, dazu eine völlig andere Position einnahm: „Bildung muss Armut von individueller Zukunft entkoppeln“, forderte er. In Stuttgart aber werde „die Bildungsgerechtigkeit von der Halbhöhe aufgeweicht“, Beispielhaft nannte er die „musikalische Eliteförderung“ und die Forderung wohlbestallter Eltern nach maximal flexibler Nachmittagsbetreuung an Grundschulen, „das kostet einen Haufen Geld“, nutze Bildungsbenachteiligten aber nichts. Er hätte sich Leitlinien zur Bildungsgerechtigkeit statt einer „Leistungsshow“ gewünscht.

Am Ende appellierten auch die Träger der offenen Jugendarbeit dafür, Leitlinien aufzustellen, „die unser Handeln in den nächsten zehn Jahren bestimmen“, forderte der Vertreter des Evangelischen Stadtverbands.